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Meiningen den 8ten August
1809

Geliebter Emanuel! Daß ich reifer geworden bin, Guter, sage ich Ihnen der Zeit nach ein wenig spät, aber nicht nach meinem Kräften, die ich nach meiner Entbindung, – obschon ich nicht krank war, nur nach und nach wieder sammelte.

Seit dem 7ten Juny bin ich die frohe Mutter eines lieblichen Knabens, Reinhold ist sein Nahme möge er ihn dem Sinne nach tragen. Schön und hold ist er jetzt, rein schuff ihn der himlische Vater, der Allgütige beschirme ihn und erhalte ihn mir. Aber, lieber Emanuel, mein Jüngelchen kostet mir viel Zeit, er bedarf meiner Pflege so sehr, daß ich im eigentlichsten Sinn gar nicht mehr fertig wäre! Und doch giebt's nichts süßeres auf Erden als ein Kind zu nähren, zu pflegen und so allmählig den göttlichen Funken wahr zu nehmen durch welchen sich der Mensch von allen Geschaffnen unterscheidet. Oh, lieber Emanuel, könnte ich doch den kleinen Engel zu Ihnen bringen, wenn er mich so freundlich anlacht und mir danckt für meine |2 Pflege. Werde ich Sie, in diesem Jahre nicht sehen? Daß sich mein Herz und meine Seele danach sehnt brauche ich Ihnen wohl nicht zu betheuern. Unsere Freundschaft kann sich weder dem Papiere ganz anvertrauen noch sich auf demselben aussprechen. Unvergeßlich sind mir unsre Bayreuther Stunden , in Bayreuth werde ich diese nun zwar nicht so bald wieder finden, aber hier möchte ich unsre Bekanntschaft feyern – In meinem Garten, den ich in diesem Jahre ganz besonders pflegte weil er Ihnen Blumen bringen sollte, und auf meinem Berg der eine herrliche Aussicht in unser Thal hat, und wo ich Ihrem Andenken seit ich denselben besitze einen eignen Platz widmete.

Daß Sie mir recht theuer sind, Guter Emanuel, fühle ich am bestimtesten, weil ich keinen Genuß kenne, in welchen sich nicht Ihr Andenken mischt. Wo mir wohl ist, wo ich mich glücklich fühle, da möchte ich Sie an meiner Seite haben.

Wir leben hier im tiefsten Frieden, wir |3 Glücklichen! Hoffentlich wird bald in ganz Deutschland Friede seyn, ach, möchte er sich über die ganze Erde verbreiten.

Antonie reißt nach der Schweiz, sie macht eine schöne Reise und mit einer vortreflichen Familie . Seit sie bey mir ist, sind ihr ohne Ausnahme ihre liebsten Wünsche befriediget worden, sSie glauben mir aufs Wort wie glücklich mich das macht. Ich werde die geliebte Schwester gar sehr vermißen, ohnerachtet sie, wie Sie wißen, ihren eignen besondern Gang geht, so hatten wir dennoch der Berührungs Punkte so viele, die jetzt in meiner Seele unausgefüllt bleiben werden.

Schwendler grüßt Sie mit Liebe und Hochachtung, Amanda schreibt selbst, Pauline sagt Ihnen recht viel kindliches und herzliches.

Von ganzen Herzen die Ihrige
Henriette.

Zitierhinweis

Von Henriette Schwendler an Emanuel. Meiningen, 8. August 1809, Dienstag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0110


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Textgrundlage

H: Slg. Apelt
1 Dbl. 3 S. Auf S. 4 erste S. des Briefs von Emanuel an Henriette Schwendler vom 27. Oktober 1809. Briefnummerierung vfrH.


Korrespondenz

Auf S. 4 erste Seite des dreiseitigen Konzepts von Emanuels Brief an Henriette Schwendler vom 27. Oktober 1809.