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Heidelberg, d. 14. Jun. 1814

Ohne Ihnen, verehrter Mann, bekannt oder durch irgend etwas empfohlen zu sein, wage ich es dennoch, Ihnen zu schreiben, da sich mir eine so schöne Gelegenheit darbietet, Ihnen, dem Fördrer alles Schönen und Guten, ein aufblühendes Talent vorzuführen, das Ihrer besondren Obhut würdig scheint, den wackeren Verfasser beiliegender Gedichte . Als ich die Osterferien bei dem auch von Ihnen hochverehrten Ritter Truchseß zubrachte, lernte ich ihn kennen, und ward Mitveranlassung, daß seitdem diese kleine Sammlung gedruckt ist. Ich will dem Urtheile des Meisters nicht vorgreifen; aber bitten, recht freundlich bitten darf ich Sie, daß, wenn es günstig ausfällt, Sie es öffentlich aussprechen. – Mein geliebter Truchseß, dem ich diesen Brief zusende, wird meine Bitte mit seiner ganzen Kräftigkeit unterstüzen.

Zunächst habe ich Ihnen den Dank meines Vaters auszusprechen für die Ffreundlichen Worte, die Sie ihm durch Neumann haben sagen lassen, dessen Brief nebst einem Hefte Ihrer Musen erst ganz vor Kurzem bei uns anlangte. So hat sich die Liebe zweier treflichen Männer begegnet; denn auch mein Vater liebt Sie; seit er die Undine gelesen, von ganzer Seele. Als wir am Schlusse des vorigen Jahres die Hofnung zu haben glaubten, Sie in Heidelberg zu sehen, war unser Angelegentlichstes, den "herlichen Fouqué" (denn so sprachen wir unter uns) in unser Quartier zu bekommen. Bei jedem Durchzuge von Preußen, ging ich deshalb aufs Rathhaus, wo noch jezt ihr Name neben der Nummer unsres Hauses auf einer Tafel steht. Nachher schrieb ich Ihnen auf das Schlachtfeld. Den Brief hat ein junger Arendt aus Berlin mitgenommen, den Sie, wie er mir mit Stolz erzählte, einen "braven Jüngling" genannt haben; er wird [...] aber längst verloren [...]sein. In diesem Briefe schrieb ich Ihnen auch von meiner Mutter, der ich so oft Ihre Schriften vorlese, und von dem mir so teuren Ritter Truchseß, über den ich mich einmal |2 so recht gegen Sie ergießen möchte. Aber heute geschieht es nicht, da er selbst diesen Brief lesen und fortsezen wird.

Ostern 1811, als ich zum erstenmal auf der Bettenburg im Frankenlande war, las ich dem Ritter Ihren Held des Nordens vor, und 1812 wieder. Ich werde mich wohl hüten, Ihnen über diese Dichtung etwas schmeichelhaftes zu sagen; aber das muß heraus, seit der Zeit habe ich seinen so recht sehnlichen Wunsch gehabt, Sie persönlich kennen zu lernen. Wie oft habe ich mit Truchseß und meinen Eltern, über Fouqué den Menschen gesprochen, wie wir ihn nach seinen Schriften uns dachten und ausmahlten. Wie oft ist herzlich und feurig Ihre Gesundheit getrunken! Im Anfange des Jahres 1812 ward ein ernstlicher Plan brieflich verhandelt, Sie zu Ostern auf die Bettenburg einzuladen; als aber der Krieg ausbrach, den Ihr herliche Preußen zu einem heiligen Kriege gemacht habt, unterblieb es. "Fouqué hat nun (wie mir Truchseß schrieb ) was besseres zu thun; er schreibt mit ehernen Griffel seinen Namen in das Buch der Zeit." – Aber nun, edler Sänger und Mann, müssen Sie Ihren Plan, das Frankenland und die Rheingegenden zu bereisen, den Sie, wie ich von der Frau von Helwig weiß, lange gehegt haben, nun müssen Sie ihn ausführen. Dann sollen Sie, nicht als Krieger, sondern als Mann des Friedens in unsre gastliche Wohnung einziehen.

Ihnen ist, wie ich erfahren, ein junger Fresenius bekannt geworden. Bald darauf, als er die Wonne gehabt hat, Sie zu sehen, ist er am Nervenfieber gestorben . Er war ein seltener Mensch, treu und gediegen und voll deutsches Sinnes, ein liebender Sohn seiner dürftigen Mutter, ein warmer Freund. Ich hatte das Glück, sein unbedingtes Vertraun zu genießen. Als ich ihm den Zauberring zu lesen gab, war er wild vor Freude, und die Undine war sein rechter Herzensliebling. Ach! daß den der unerbittliche Tod geraubt hat, den kräftigen |3 von Fülle der Gesundheit strozenden Jüngling! Kurz vor seiner Abreise aus Heidelberg gab er mir ein Trauerspiel , das er mir umgearbeitet zurückzuschicken versprach. Es war ein ziemlich rohes Product, aber voll Geist und Leben; sowie Fresenius überhaupt einem rohen Diamanten glich, der mit seinem eignen Staube noch nicht ausgeschliffen war. Was in ihm auf ewig entschlummert ist, scheint in Freimund Raimar

Rückert Fr.
wieder aufzuleben; und dieser verbindet mit einem vielleicht eben so hohen Geiste, noch klassische Bildung und Gelehrsamkeit.

Eine Rüstung für Sie liegt in Darmstadt, wenns Ihnen, der seitdem eine ganz andere Rüstung getragen, noch um eine eiserne zu thun ist. Der Besitzer, ein junger Mahler, doch mehr Dilettant als Künstler, der Secretair Issel, freut sich, Ihnen etwas anbieten zu können, das Ihnen werth ist. Wie soll sie versandt werden? Doch vor Weihnachten kann es schwerlich geschehen, da Issel gegenwärtig in München lebt, und früher nicht zurückkehrt.

Der liebenswürdige Graf Löben lebt jetzt in Heidelberg. Er hat uns schon einige frohe Abende geschenkt, und viel von Ihnen mit der ihm eigenthümlichen Herzlichkeit gesprochen. Er wird Ihnen bald schreiben.

Ich bitte nicht um Verzeihung wegen dieses Briefes; die Formel ist zu abgenüzt; aber ich fühle doch, daß es Zeit ist abzubrechen. Mit inniger Verehrung

der Ihrige
Heinrich Voß.

Noch eins: Neumann schreibt, die fürs Pantheon vorräthigen Manuscripte, sein in Ihre Hände gekommen. Darunter ist ein Agamemnon von mir aus dem Äschylus übersezt. Wenn der noch am Leben ist, dürft' ich Sie wohl ersuchen, den an Rochlitz nach Leipzig zu senden. Truchseß wird seine vollständige Adresse, die ich selbst nicht weiß, hinzusezen.

Zitierhinweis

Von Heinrich Voß an Friedrich Freiherr de la Motte-Fouqué. Heidelberg, 14. Juni 1814, Dienstag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0130


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Textgrundlage

H: FDH, Slg. K 356Hs-7082
1 Dbl. 4°, 3 S. Auf S. 4 auR vfrH: Heinrich Voss (Sohn von Joh. Heinrich) trefflicher Philolog. Erster Übersetzer des Othello u Lear. mit seinem Vater u. Bruder Abrah. Voß gab er den Shaspaere [sic!] übersetzt heraus. Über dem Brief vfrH: An Freiherr Friedrich de la Motte Fouqué.

Überlieferung

D: Briefe an Fouqué, S. 500–504 (ohne Postscriptum).