Von Ernestine Mahlmann an Johann Siegfried Wilhelm Mayer. Leipzig, 28. Januar 1803, Freitag

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Leipzig. den 28 Januar 1803.

Mein theuerster Vater, welch eine Freude der Empfang Ihres lezten Briefes in Begleitung von unsrer Auguste liebem Bildniß, mir machte, kann ich Ihnen nicht ausdrücken. Da es grade an dem Todes-Tage der Verstorbnen in meine Hände kam, war der erste Eindruck, wohl um so lebhafter und schmerzlicher, doch meinem Herzen werth! –Man könnte vielleicht manches wieder die Ähnlichkeit des Bildes einzuwenden haben. Doch, glaube ich, denen die sie in der lezten Zeit ihrer Krankheit sahen, wird das matte Auge, und die etwas verlängerten Gesichtszüge, jenes Bild um so lebhafter darstellen. Indem ich Ihnen für das mir zugefallne Exemplar den innigsten Dank sage, bin ich so unbescheiden, Sie, wenn Sie vielleicht noch einige übrig hätten, auch noch um ein zweytes zu bitten. Eine meiner hiesigen Freundinnen , welche sich für Die, die mir angehörn intereßirt und besonders an das Schicksal dieser zu früh zerknickten schönen Blüthe einigen Antheil |2 nimmt, äußerte in der Rührung beym Anschauen dieses Bildes, den Wunsch nach dem Besiz eines ähnlichen. Es würde mir Freude machen wenn es mir erlaubt sein könnte, sie noch damit zu überraschen!. Wenn Sie mein bester Vater, noch etwa eins entbehren können?. so haben Sie die Güte es mir noch eines zu schicken! –

Ohngeachtet, des vielen Hin und Herreisens [...] mancher meiner hiesigen Bekannten, hat mir keiner etwas näheres von Ihnen, mitzurückbringen können.

Der Assessor Erhardt welcher in Begleitung von Mad. Cray nach Berlin gieng, hat Sie nur einmal flüchtig in einem Conzerte gesehen – nicht gesprochen! – Der Sohn des Herrn v. Lordenstern weiß mir auch nichts von Ihnen zu sagen; und es scheint, als habe zwischen Ihnen und dieser Familie, wieder keine Annäherung, Statt gefunden? – Ganz zufällig, hörte ich nur neulich von einem ganz fremdem Wesen, daß mit durch die Bernhardi Ihre Bekanntschaft gemacht hatte. Das Wesen ist eine Demoiselle Spilker , welche mit einem andern Wesen; hier in L. in Correspondenz steht, und diese hatte von Ihnen geschrieben hatte.

Man hört aus der Ferne jetzt so viel. Schönes und |3 Einladendes von Berlin, daß einem wohl das Herz zuweilen ein wenig schwer wird! Doch war es nicht unsre Idee, wie Sie, guter Vater, nach Ihrem Briefe , zu vermuthen scheinen, diesen Winter die Reise zu unternehmen. Eine Reise im Sommer ist wohl zweckmäßiger – und es ist möglich – wie wohl noch nicht fest bestimmt daß – Richters künftiger Wohnort – Coburg , das lezte Ziel unsrer Reise sein könnte – weil mein Mann die Idee hat, mit mir das Liebensteiner Bad zu besuchen, von welchem Coburg aus eine Tagereise entfernt liegt. – Dies Alles sind Aussichten, die dadurch ihren höchsten Reiz erhalten, wenn ich mir einbilde daß der Himmel uns alle in so einer so reizenden Gegend, wie die Gegend bey Coburg seyn sollte; uns Alle! meine ich auf einen Punkt vereinigte. So schön war es im vorigen Sommer ; aber doch blutete das Herz bey der Erinnerung an denen die fehlten! –

Laßen Sie doch bald wieder etwas von sich hören, mein bester Vater! Wenn auch noch jetzt nichts über die lezten Ihnen zur nähren Uberlegung hingworfenen Iden einer Reise die Sie vielleicht diesen Sommer, mir Ihrer lieben Frau |4 unternehmen würden. – Wenn Sie wieder schreiben, sagen Sie uns doch welchen Eindruck die Mara auf Sie gemacht hat. Hier im L. hat sie unbeschreiblich entzückt!

Leben Sie nun wohl, mein bester Vater! Mein Mann läßt sich Ihnen herzlich empfelen.

Ihrer lieben Frau versichern Sie unsrer Hochachtung und lieben Sie ewig

Ihre treue Tochter
E'. M.

Zitierhinweis

Von Ernestine Mahlmann an Johann Siegfried Wilhelm Mayer. Leipzig, 28. Januar 1803, Freitag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0137


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Textgrundlage

H: BJK, Berlin A
1 Dbl. 8°, 3½ S.