Von Henriette von Ende an Caroline Richter. Leipzig, 1. bis 3. Juni 1818, Montag bis Mittwoch

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Leipzig, den 1.sten Junius
1818.

Könnte ich doch, geliebte Freundin, diesem Blatt, daß ich mit so viel Liebe zur Hand nehme auch den ganzen Ausdruck derselben geben! Ihr lieber so eben erhaltener Brief , war längst ein Gegenstand angenehmer Erwartung für mich, urtheilen Sie also, wie sein Empfang mich erfreute als er, der erste der mich in meinen Sommer-Aufenthalt vor der Stadt begrüßte, überbracht wurde; sogleich ihn zu beantworten und so recht mit Ihnen zu reden als wären wir noch in Baireuth beysammen, dies war so Bedürfnis und Freude für mein Herz. Sie sind also nicht mit nach Heidelberg gegangen, dies bringt mich um ein wahres, bestimmt vorausgesehenes Vergnügen, denn allseitig wären Sie dort mit zarter Liebe aufgenommen worden, dies war alles schon ganz im Klaren und indem Heidelberg Sie und Sie Heidelberg gekannt hätten, wäre eine recht sehr intereßante Gemeinschaftlichkeit mehr, der |2 Durchgangspunkte zwischen uns Dreyen nehmlich Ihnen, Heidelberg und mir geworden, doch es sollte also dieses Mal wieder nicht seyn; ist denn aber auch der liebe Max nicht mitgegangen? ich vermuthe es beynah, wegen den 8.tägigen Aufenthalt in Frankfurt , bey welchem ich mich übrigens schon im Voraus über die Huldigungen freue, die dem lieben Jean Paul dort zu Theil werden. Ich begreife ganz, geliebte Freundin, wie viel Ihnen seine Abreise gekostet haben muß und wie zugleich die Ueberzeugung seiner bey Ihnen gebliebenen Liebe , Ihnen tröstlich ist; welche Freude wird Ihnen seine Zurückkunft machen! diesesmal werden Sie gewiß längst vorher schon den Augenblick festhalten, wo er möglicher Weise zurückkommen kann, da der Zufall das letzte Mal, Sie darum brachte . Seit wenig Tagen ist hier in Leipzig ein neues, soll ich sagen Spielwerk oder Augenweide? an der Tagesordnung; Tag und Nacht arbeiten die Optiker so viele zu verfertigen, als begehrt werden, was fast allgemein ist und indem ich auch großen Spaß an dieser Erfindung |3 habe, ergreiffe ich mit Freuden die Gelegenheit, Ihnen vielleicht auch einen zu machen indem ich Ihnen beyfolgend nebst den 1.sten Theil von Heinroths Buch wovon Sie den 2.ten haben ein solches Metamorphoricope auch Caleidoscope genannt zuschicke; Kürzlich kamen zwey dergl. von London und gaben denn sogleich hier den Impuls der Nachahmung; man hält das Auge an die kleine Oeffnung und jede auch die kleinste herumdrehende Bewegung, bringt in zahlloser Abwechselung allerliebste symetrische Figuren hervor, welche am öfftersten an die schönen bunten Sterne der alten gothischen Kirchen erinnern, alle uns ersinnlichen Arten Figuren kommen da zum Vorschein und deshalb wurden ursprünglich diese Gläser in England in den Tapeten und Cattun-Fabriken gebraucht um neue Muster zu schaffen. Sie werden aus denen kleinen Bruchstückchen ersehen, daß man sie ins Unendliche verändern kann, so ist es zum Beyspiel sehr hübsch nur Blätter oder kleine Blumen z. B. Reseda hinein zu thun. Des Verschickens wegen, mußte einiges dabey auseinander genommen werden, was aber folgendermaßen wieder herzustellen ist: Sie machen nehmlich das Etui auf und thun nehmlich sämtliche in dem Papier befindliche Stückchen, wieder in den Boden des Etuis und |4 dann darauf das apart eingewickelte runde Glas, bis auf den dazu bezeichneten Falß, dann machen Sie das Etui wieder zu und alles ist wieder im Stand, um durch die auf der einen Seite angebrachte kleine Oeffnung zu gucken.

den 3.ten früh nach 4. Uhr. Gestern wurde ich durch 2. sehr angenehme Besuche überrascht die Herzogin von Curland welche hier durchreiset und mein ältester Bruder der auf ein Paar Tage von Dresden hergekommen ist um mich zu besuchen; ich wollte nicht diesen nächsten Posttag, um Ihnen zu schreiben, vorbeylaßen und nehme daher diese Morgenstunde zu Hülfe; um so weniger hätte ich können säumen, da die liebe Herzogin von Curland, Sie in Bayreuth zu sehen hofft, ohngefehr den 9.ten oder 10.ten gedenkt Sie dort durchzureisen, dann den 13.ten oder 14.ten in Heidelberg einzutreffen und dort einen Tag zu bleiben, um die große Freude zu haben, Ihren lieben Mann zu sehen; sie will sogar dieses Mal in Carlsberg wohnen, um in einem Haus mit ihm zu seyn, sie sagte, daß sie sich nicht nur sehr freute ihn per-[...]

Zitierhinweis

Von Henriette von Ende an Caroline Richter. Leipzig, 1. bis 3. Juni 1818, Montag bis Mittwoch. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0157


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Textgrundlage

H: BJK, Berlin A
1 Dbl. 8°, 4 S. Schluss fehlt.