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Leipzig 1 Novbr 1809

Das unruhige Treiben der Meße, verhinderte mich bey Gelegenheit der Versendung des Taschenbuchs Urania an Ew. Wohlgeb. einige Zeilen hinzuzufügen, die meinen Dank so wohl noch einmal laut aussprächen als auch in Hinsicht des Ew. Wohlgeb. gebührenden Honorars, dem Verlangen des Verlegers gemäß, die schuldige Nachricht enthielten: daß Herr Brockhaus, dieses Geschäft, bey Gelegenheit seines nächsten Briefes an Ew. Wohlgeb. ohne Verzug selbst abmachen werde.

Wie wohl etwas spät – jedoch hoffentlich noch zu rechter Zeit sind nun auch die Exemplare in Maroquin eingebunden fertig geworden von denen ich nicht ermangle beiliegend Ihnen noch drei zu übersenden denen ich mir die Freiheit nehme ein Prachtexemplar des Taschenbuchs für Freundschaft und Liebe beizufügen – das letzte welches durch meine Vermittlung zur Ansicht des Publikums kömmt. Ich leugne nicht daß ich mit einiger Wehmuth von diesem Büchelchen scheide, dem ich mein erstes Verhältniß |2 zur Lesewelt danke, die so nachsichtig gegen die darin enthaltnen Darstellungen gestimmt war

Auch Ew. Wohlgeb. haben zu Zeiten sich gütig über dieses Taschenbuchs und dessen Redaktrice geäußert, namentlich im Journal des Luxus und der Moden , und ich wünsche nichts mehr, als daß Ihnen jetzt gefiele diese Gesinnung, auch in Bezug auf die Herausgeberin der Urania irgend wo auszusprechen!

Weßen Protektion als Schriftstellerin könnt ich inniger anerkennen, als die eines Mannes der das seltne Talent in sich vereinigt den Gelehrten und Dilettanten zu gleicher Aufmerksamkeit, auf seine Aussprüche hinzuweisen? ––

Für diesen Augenblick, führt mich jedoch ein noch dringlichderdringender mir gefühltes Bedürfnis zu Ihnen, die Bitte nämlich um Ihren Rath, bey der Bestimmung der Sujets für die Kupfer des nächsten Jahrgangs.

Die große Entfernung des Verlegers macht mir diese Sorge doppelt schwer. Auch ist er mit sich selbst [...] nicht vollkommen einig über das was [...] |3 und so sehr seine Vorliebe für mythologische Gegenstände und die Antike, zu loben ist, so fürcht‘ ich doch, daß diese Angaben bey der Ausführung – so oder anders, ohne Effekt bleiben dürften.

Wie finden Ew. Wohlgeb. dagegen meine Idee, aus Göthe’s Wahlverwandschaften die Seiten von Darstellungen zu veranstalten? Sie haben dieses Buch ohnfehlbar bereits vor Augen – ich maaße mir nicht an von dem Eindruck zu reden den es auf mich gemacht hat, aber dies sey mir vergönnt zu sagen: in keinem andern Werke Roman von Göthe habe ich so viel eigentliche Szenerie anzutreffen gemeint als in diesem. Auf welcher Stelle des Buches man das Auge hinwendet, man hat ein Bild.

Sey es an dem Orte, wo zur Feier von Charlottens Geburtstage, der Grundstein zum neuen Gebäude gelegt wird – sey es da wo Ottilie überrascht und ahndungsvoll in die vom Architekten heimlich vollendete Kapelle tritt – ja selbst die Szene welche Luzianens stürmische Ankunft veranlaßte – die von ihr angegebnen |4 und ausgeführten mimischen Spiele – wo man hinsieht, überall Stoff für den Maler ich sehe nur die Schwierigkeit unter so viel Herrlichem zu wählen, und sich selbst zu beschränken . –

Eben diese mimischen Spiele sind es die mich auf jenen Gedanken brachten. Eine frühere Idee, noch ehe ich die Wahlverwandschaften gelesen, ließ mich in den Mienen der Hendel dieser so oft und rühmlich im Morgenblatte gefeierten Frau – neue pikanten Stoff zu Kalenderkupfern ahnen: Ich eilte Herrn Brockhaus diesen Gedanken mitzutheilen – jetzt lese ich die Wahlverwandschaften, und Schöneres bietet sich der Einbildungskraft dar, ohne daß ich nötig hätte, meinem ersten Vorsatze völlig untreu zu werden.

Ich wünsche jetzt nur Ew. Wohlgeb. Meinung hierüber zu hören. Dann werde ich sogleich der besten Künstler für die Ausführung mich zu versichern suchen. Ein paar geistreiche Portraite, noch als Zugabe – vielleicht von einigen hohen Häuptern, deren Phisionomien noch unbekannt, wie ihr Ursprung – scheint mir nicht ebenfalls für die Zukunft, der Uberlegung werth. – In Erwartung einer gefälligen Antwort, verharre ich Ew. Wohlgeb

ganz ergebenste M. Spazier
geb. Mayer

Zitierhinweis

Von Minna Spazier an Carl August Böttiger. Leipzig, 1. November 1809, Mittwoch. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0236


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Textgrundlage

H: SLUB, Nachlass Böttiger, Carl August (1760-1835)Mscr. Dresd. h. 37, 4˚, Bd. 193, Nr. 22
1 Dbl. 8°, 4 S.