Von Caroline Richter an Johann Siegfried Wilhelm Mayer. Meiningen, 11. Januar 1803, Dienstag

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Meiningen den 11ten Januar.

Mein gütiger theuerster Vater.

Eben empfange ich aus Ernestines Hand Ihr reiches Geschenk,wie sehr es mich überrascht und beschämt kann ich Ihnen nicht ausdrüken, da ich mir diesen Beweis Ihresr Liebe nicht träumte. Mit dem Polrock haben Sie mich aufs höchste erfreut, denn jede Zierde meines kleinen Abgotts macht mich zum Kinde; Könnte ich die kleine Emma nur in Ihre Arme legen, wie seelig wäre ich, und auch Sie würden bei Ihrer großen Liebe für Kinder, dieses zarte verständige Wesen, unendlich rühren.

Aber in Ihren Gaben erkenne ich den Geschmack Ihrer Henriette, und ich bitte Sie, meinen Dank mit Ihr zu theilen – werde ich nicht bald etwas von Ihrem beiderseitigen Leben hören? mich dürstet nach einigen Worten von Ihnen, und ich würde mir einen gutmütigen Hausfreund zu Ihrer Hand wünschen, dem Ihr Kopf u Ihr Herz eine Abschrift Ihres Lebens diktirte |2 denn ich kann wohl wünschen daß Ihre Zeit Ihnen weitläuftiger in Briefen zu seyn erlaubte, aber ich begehre daß Ihr Glük es nicht zuläßet.

Minna hat mir vor kurzem einige schöne und liebende Briefe geschrieben, und ich bin sehr beruhigt über ihr Schiksal – eine meiner hiesigen Freundinnen eine Urenkelin des Götz von Berlichingen, Fräulein Hendtrich, bewundert Minna in jedem Verhältnis, sie lernte sie vor einem Jahre in Leipzig kennen. wie freue ich mich des fremden Beifals. Minna ist jezt auf dem Wege wieder zurükgekehrt den sie, durch ihre häusliche Pflichten gezwungen, verlaßen hatte.

Ich bekam vor einigen Wochen, eine Schrift in die Hände, betitelt "das gepriesene Preußen" in der unsere ersten Staatsbedienten und der Allererste am Pranger stehen – ich erschrak u möchte wißen, welche Sensation das Buch im Publikum, u auf die Angegriffenen macht. Die hohe Ruhe mit der der Verfaßer in die kleinsten Details eingeht, u die Belege die er zu jeder Anklage anzeigt, erwecken ihm Glauben – aber wie schreklich ist das! Können Sie mir nicht den Vf. nennen, es intereßiert einige Männer sehr die in Berlin waren.

|3 Verzeihen Sie die politische Frage mein geliebter Vater – in der Entfernung erhält intereßiren wir uns für alles Bekante was [...] uns in der Nähe gleichgültig war, aber ich möchte den u die B... darüber hören!

Nun will ich mich und die Emma Ihrem Seegen empfehlen, weil mein Dank um keinen Posttag liegen bleiben soll, u heute die Post abgeht – vielleicht empfange ich bald Nachricht von Ihnen. Ich bitte Gott um Ihre Gesundheit und Sie um Ihre fortdauernde Liebe – grüßen Sie recht innig Ihre theure Gattin, und bleiben Sie glüklich. Mein Mann u ich umschließen Sie mit inniger Liebe.

Ihre
Sie innig liebende
Caroline.

Zitierhinweis

Von Caroline Richter an Johann Siegfried Wilhelm Mayer. Meiningen, 11. Januar 1803, Dienstag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0255


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Textgrundlage

H: BJK, Berlin A
1 Dbl. 8°, 2½ S. Auf S. 1 Datierung vfrH: 1803. Unterstreichung vfrH mit blauem Stift.


Korrespondenz

Der Brief war einem Brief an Ernestine Mahlmann oder Minna Spazier nach Leipzig eingelegt und wurde von dort nach Berlin weiter befördert, vgl. Caroline Richters Brief an Mayer vom 28. Februar 1803, S. 2.