Von Caroline Richter an Odilie Richter. Bayreuth, 15. Januar 1823, Mittwoch

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B. Mittwoch den 15ten
Januar

Gestern schon meine beste Odilie, habe ich Herrn Heine das Jawort gegeben, daß Du noch bleiben kannst . Wie beruhigte es mich daß ich Dir am Sontag schon geschrieben hatte , und Du also etwas früher schon aus Deiner Angst gerissen warst. Armes, theures Kind wie unaussprechlich schmerzen mich Deine Leiden. Warum hat Herr Heine wohl nicht gleich aus denen mir gestern entwickelten Gründen , seinen Willen Dich dazubehalten angegeben? Es wäre viel Verdruß erspart worden. Er wünscht Dich auf eine so schmeichelhafte Art zu seinem Fest dazubehalten daß widerstehen Eigensinn wäre. Er nennt Dich die Krone der Anstalt, die er gleichsam als Beweis was er durch seine Behandlung zu leisten vermag, den höhern Behörden vorstellen will. Er sagt man sei es ihm |2 und der guten Sache schuldig.

Hätte er doch gleich auf meinen ersten Brief durch Bergemann , mir dieses geantwortet. Allein wenn man nichts als bloße Laune, oder Läßigkeit im Vollenden und Arbeiten der Maschinen annehmen kann muß es einem nicht und man weiß, wenn Herr Heine will, in wie kurzer Zeit, in Einem Vormittag so unerwartet viel gemacht werden kann, ist es da nicht empörend wenn man da so heilige Bedingungen von der bloßen Willkür eines Mannes abhängen sollen, der sich nur nicht die Mühe geben will sich in Familienverhältnisse hineinzudenken? ,abhan

Gewis wirst Du mich für recht inconsequent halten, wenn ich jetzt mir selber in allem widerspreche. Nun sehe ich ein, warum Du ein weißes Kleid haben mußt, und nun befehle ich Dir bei meiner |3 mütterlichen Liebe, Dir Battistmußelin zu kaufen, und Dir wie die gute Auguste früher gewollt, beim Schneider ein so hübsches Kleid als nur immer möglich, machen zu lassen . Ich habe es hinterher bedacht daß vielleicht der dortige Schneider die in jedem Fall doch etwas vorhandene Schiefheit der Taille durch seine Kunst zu verbergen geübt ist, und will daher auch, daß Du von ihm, Dir ein Schnürleib machen lässest. Wenn es noch so viel kostet.

Da wahrscheinlich alle Mädchen sich in die Nazional bairischen Farben kleiden werden, so leiht Dir Emma hier ihr blaues Band. Was Dir sonst noch fehlt, kaufe Dir.

Ach wenn Du doch recht vergnügt wärst, mein Engel, mein Stolz und meine Freude! Glaube mir, daß nur die |4 Idee Deiner Glückseeligkeit mich leitete bei allem was ich in der letzten Zeit zu Deiner Rückehr gethan. Ich bin aber so zufrieden, so glücklich wenn Du es bist, daß Du keinen Gedanken der Wehmuth aufkommen lassen darfst wenn Du recht innig an allem dem Theil nimmst was in Würzburg an Vergnügen und immer Dich interessiren kann.

Das Anerbieten Herrn Heine's Dich in seinem Wagen herbringen zu lassen ist recht schön aber wir werden es anzunehmen gewis nicht nöthig haben, da gewis noch viele so gute Gelegenheiten sich finden werden. Wir wollen darum nicht sorgen.

Eben so wenig fällt es mir ein, daß Du als Gast den letzten Monat bei Herrn Heine angesehen werden sollst, wie eine Stelle seines Briefs andeutet. Nein sein Edelmuth soll nicht von uns gemisbraucht werden, was thut 1 Monat mehr oder weniger, bei so vielen?

|5 Die gute Gräfin Giech schrieb heute ihrer Tochter daß der Kutscher Dich bereit, aber Herrn Heine nicht geneigt finde Dich reisen zu lassen, die Tochter solle es mir sagen. Sie wolle aber dem Kutscher der so brav wäre, Dich noch recht empfehlen, weil er auf der Rückreise wieder anfragen sollte. So nimmt alles |6 Antheil an dir!

Indessen ist es gut, wenn Deine Maschinen durch diesen Drang von unserer Seite in Ordnung sind, und dann giebt es doch gewis keinen Aufenthalt wenn nach dem Feste, Du zu uns zurückehren sollst. Der Rahmen zu des Vaters Bild steht ihm herrlich ich bin sehr zufrieden und danke Augusten sehr für die sorgfältige und mühsame Einpackung .

Denke Dir, Ilsette Barner ist Braut mit einem Baron von Reizenstein in Nürnberg , der nicht reich aber brav ist. Gestern vertraute sie es mir. Die Lochner hat die Heirath gemacht, die im Frühling oder Sommer schon statt finden wird. Hier ist es aber noch Geheimnis.

Lebe wohl theurer Herzens Engel.

Ewig Dich Deine über alles liebende Mutter
Zitierhinweis

Von Caroline Richter an Odilie Richter. Bayreuth, 15. Januar 1823, Mittwoch. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0257


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Textgrundlage

H: BJK, Berlin A
1 Dbl. u. 1 Bl. 8°, 6 S. Auf S. 5 Brief der Gräfin Giech an Caroline Richter; auf S. 6 Adresse unter der Schrift: Der | Legations-Räthin | Richter Wohlgebohren | dahier.


Korrespondenz

Nach Füllen des Doppelblattes (S. 1 bis 4) verwendete Caroline Richter für die S. 5 und 6 den Brief der Louise von Giech vom 15. Januar 1823, den sie gerade erhalten hatte und der die erste Hälfte von S. 5 füllt.