Von Ernst Förster an Emma Richter. München, 20. April 1826, Donnerstag

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Vor allem herzlichen Dank, liebe Emma, für Ihren lieben Brief und die Grüße der Mutter und Schwester, vielen Dank für die mir geschenkte Sorgfalt wegen einer so vortrefflichen Wohnung. Mir ist’s, als träte ich eine Reise ins Paradies an. Und Sie, Emma! kennen oder verkennen mich gut, wenn Sie über das, was ich von der Welt erwarte, im Zweifel sind. Dem Nichts Erwartenden ist das Leben in allen Erscheinungen unendlich reich. Noch hat das Leben jede, selbst die kühnste meiner Hoffnungen übertroffen. Heute habe ich Briefe aus Konradsreuth , die meinen Entschluß, eine kurze Zeit – etwa 4 Wochen – in Bayreuth zu verweilen, befestigen, weßhalb ich also die Wohnung bei Herders mit Dank und Freude annehme. Am Montag, Dienstag oder Mittwoch werde ich hier abreisen und – gibt Gott seinen Segen – Ende Mai bei Ihnen sein .

In Beziehung auf Ihre Bekenntnisse, und daß Sie mir sie unbefangen mittheilen, gilt mir als hinreichender Beweis, daß Sie mich zu denen zählen, die den Werth geistiger, schriftstellerischer wie jeder künstlerischer Begabung bei dem weiblichen sowie beim männlichen Geschlecht mit inniger Freude und Hochachtung wahrnehmen.

Nicht nur der Mensch in seiner Gottanbetung wendet seine Blicke nach dem Himmel, auch auf grünem Grunde die bunte Blumenwelt kehrt die entfalteten Kronen dem ewigen Lichte zu. Wer möchte dem kleinen Veilchen den erquickenden Duft, der Rose ihre entzückende Pracht, der Perle auf dem finstern Grunde des Meeres den himmlischen Lichtglanz wehren mögen! Jeder Mensch ist Dichter, wenigstens einmal im Leben; wohl dem, der dem Augenblicke der Glückseligkeit Ewigkeit zu verleihen vermag! Daran wollen wir denken und danach leben und handeln! Der ihrige

E. Förster.

Zitierhinweis

Von Ernst Förster an Emma Richter. München, 20. April 1826, Donnerstag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0262


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Textgrundlage

D: Ernst Förster, Aus der Jugendzeit, Berlin und Stuttgart 1887, S. 356-357.


Korrespondenz

B: Von Emma Richter an Ernst Förster. Bayreuth, 12. (?) und 13. April 1826