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Meiningen den 13ten Januar

Ich bin eine Sünderinn, lieber Emanuel, das fühlen Sie und werden es nicht sagen, weil Sie alles was ich bin und thue mit Ihren guten Augen ansehn. Sie sagen, so oft ich Ihnen, undmit meiner Schuld einfalle "sie wird dringende Abhaltungen haben –" "sie ist krank –" "wohl gar verreist –" "gerade an dem lezten Posttage schlachtete und pöckelte sie ein –". Von allem dem nichts – ruhig sitze ich zu Haus – das Leben geht einfach fort, und die Bilder der geliebten Freunde ziehen täglich vor meiner Seele vorbei. Und danach nehme ich eigennützig die Geschenke der Freundschaft an – und zögere mit dem Dank so lange – giebt es etwas strafbareres? Kaum habe ich den Muth, indem zwei Ihrer unbeantworteten Briefe vor mir liegen, und die so viel Liebe und Güte aussprechen, Ihnen die Hand zu reichen – nicht, daß Sie sie versöhnt drüken, sondern den Schreibfinger abhacken, den ich so unverdient an mir trage – –

Sie erschrecken über das strenge Urtheil Urtheil das ich mir selbst fälle, und gerührt durch dasselbe nehmen Sie mich an Ihr Herz – das will ich ja nur – leise gesteh ich, daß jene Strenge – List war, Sie so sichrer, für mich zu gewinnen.

Und daß es mir gelungen, sagen Sie mir bald mündlich, dann klage ich nicht über das Entfliehen des schönsten und reichsten Jahres, welches mich Ihrem Richter, und mir Ihn, mit seinen Freunden gab! Ich sehe voll froher Hofnung in die Kommenden hinein, und doch mit banger Furcht, daß das Schiksal mir nicht erhaltenehmen könne, was ich jezt besitze – denn ich das |2 Erhalten eines geschenkten Guts, ist verdienstlicher als das Geschenk selbst, und ein fortgehendes. Warum Dieses bedarf einer sorgfältigern Pflege, und aufmerksamere Schonung als die Liebe der Menschen. Ein Augenblik verweht der Zerstreuung nur, vergiftet oft die süßeste Blüten des Glücks, das den Stürmen des Lebens trozte. Und er macht die Vergangenheit so schwarz wie die Zukunft, alle die Erinnrungen verlieren den rosenfarbnen Glanz der alles erleuchtete. Wie ist dann das Leben so öde und leer – wir waren niemals glüklich – alles nur Traum! – – – –

Die Liebe ist die Sonne der Seelen.

Meine Zukunft wird mir immer neue Geschenke geben, wenn sie mir in gleicher Fülle das erhält was ich jezt habe, und so werde ich immer ein 1801 Jahr feiern. Darum gehen Sie bald für / vor uns auf, und laßen Sie ihr Bareuth ein verfinstertes Amerika seyn! – –

Ihr goldnes Zeitalter, Emanuel, haben Sie, vom Himmel Ihnen gegeben, nun ihm ähnlich, unter viele vertheilt, nun und Sie schauen es jezt an, Sie wißen, daß es auf Erden ist – hätten es villeicht sonst nicht gewußt!

Ihre Briefe haben einen kleinen Fehler, sie enthalten zu wenig Geschichte Ihres Lebens – mein Mann tadelt das wie ich – darum schreibt er mir vor recht viel nachzuschreiben, von den Originalblättern unserer täglichen Begebenheiten, damit Sie mich wieder nachahmen. Es ist aber leichter zu raisoniren, als zu erzählen, und wenn man beides thun will, muß man nicht so spät vor der Abreise der Post anfangen als ich. Gestern Abend wollte ich es schon – da |3 kam aber erstlich, mein Lektor (ein Hofmeister aus einem adlichen Hause, genannt Löbel , der sich zu unserm Hausfreund eignen möchte, und daher alle drei Tage zu uns kömmt. Er weis viel mehr aus seinem Herzen vorzulesen, als aus seinem Kopfe, daher gebe ich ihm fremde Köpfe, und arbeite dabei.) wir rücken den Eß- und Kaffetisch am Ofen, daher formirt sich ein häuslicher Winkel an den von Zeit zu Zeit der Richter sich freuend freundlich tritt. – Zweitens der Herzog den wir spashaft zum Eßen luden, und der ernsthaft blieb um sich ein spashaftes Eßen vorsezen zu laßen. Er ist recht liebenswürdig, klug, streng, und sanft dieser Herzog, der meinen Mann so liebt, Gern hätte er ihn immer um sich, wenn dieser nicht fest genug wäre, seine Gesundheit und seine Zeit höher zu achten, als das Vergnügen des Fürsten. Wollen Sie ihn jene ,auch entfernt ein wenig pflegen, lieber Emanuel, so schiken Sie ihm ein Faß Bareuther Bier. Das hiesige ist nicht kräftig genug das Einhalten des Herzschlages, bei ihm zu verhindern, das ihn bei im Nachmittagsschlaf stört. So viel oder wenig eine Gelegenheit zu uns transportiren kann, laßen Sie ihm kommen. Dabei soll ich Sie fragen, ob [...] in Ih rer Rechnung [...] meines Mannes Schulden, nicht jenes Bier vergeßen ist, welches Sie ihm nach Weimar geschikt haben. Ihre Briefe sollen Sie Sich selbst holen, spricht der Richter, möchte doch die Neugier und das Interesse an Ihre Vergangenheit, Sie schneller locken als unsre Bitten es können!

Innig danke ich Ihnen, daß Sie an Ihren beiden Feiertagen ( Otto's Geburts, und den Neujahrstag unsrer so gedacht – Guter – Zarter leben Sie wohl! Das lezte Blatt ist für Richter.

Caroline.

Lieber! Aus Zeit-Mangel schreib’ ich nichts als die Wiederholung der Bier-Bitte. Anbei folgt der 2 te Theil von Röntgen als ein Geschenk für Sie; meine Erlaubnis, seinen Brief an mich abzuschreiben, geb’ ich Ihnen gern, u. Sie können die Kopie ihn jezt aus d Buche selber, wo er abgedrukt, abkopieren. – Hier ist sind zu lesen Briefe die Menge. Leben Sie wohl. Ein andermal mehr, d. h. etwas!

R.

Was hören Sie von meinem unglüklichen Bruder?

Zitierhinweis

Von Caroline Richter und Jean Paul an Emanuel. Meiningen, 13. Januar 1802, Mittwoch. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0416


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Textgrundlage

H: SBa, OFS.Autogr. R 1(1802.01.13
1 Dbl. 8°, 3 S.

Überlieferung

D: 3. Abt., Bd. IV, Nr. 231 (nur von Jean Paul).


Korrespondenz

auf S. 1 Präsentat: beantw. 2t Febr. (Antwort nicht überliefert.)