Von Ernestine Mahlmann an Caroline Richter. Leipzig (?), 30. Dezember 1803, Freitag

Darstellung und Funktionen des "Kritischen und kommentierten Textes" sind für Medium- und Large-Screen-Endgeräte optimiert. Auf Small-Screen-Devices (z.B. Smartphones) empfehlen wir auf den "Lesetext" umzuschalten.



|1
Freitags den 30ten Dezember

Gott sey dank, meine liebste Seele, daß ich wieder etwas von Dir habe . Ich war recht unruhig. – so lange Dein Brief ausblieb, denn ich fürchtete, daß Du oder eins von den Kindern krank seyn möchtest! Es ist recht himmlisch, meine Seele, daß Du mir alle Kleinigkeiten schreibst die Dein Leben in sich faßt. Nur eins hast Du mir nicht ausdrüklich versichert – nemlich daß Du selbst eben so gesund noch bist – als wie ich Dich verließ – und noch eben so viel Milch hast! – da du die Nahrung des Kleinen verändert und so viel schwerer eingerichtet hast – so möchte ich fast das leztre fürchten – sollte denn das Bier und die Fleischbrühe, beym Übermaaß von Milch nicht übertrieben seyn ? – Minnas Kleiner wird auch mit der Zeit immer unruhiger – darum ängstige Dich nicht wegen Deinem – je älter sie werden – muß das ja so seyn. Auch er leidet viel an Blähungen. Wein giebt Minna noch immer nicht nur den gewöhnlichen Brey dreimal des Tages. Zuweilen scheint es mir als nähme er nicht so sichtbar zu, sondern war wohl mehr von der Geburt an ein starkes Kind. Er hat eine sehr blaße Farbe! ob das der blonde teint |2 verursacht, oder wie – ich verstehe es nicht.

Jeden Tag wollte ich Dir wieder schreiben – aber ich wünschte so sehr erst wieder ein Brief von Dir. – Ich habe ziemlich zerstreut gelebt – Aber die Feiertage waren grade nicht so sehr froh. – Ich habe es lange noch nicht sagen könen seitdem ich von Dir bin – jetzt seit einigen Tagen fange ich wieder an lustig zu werden – aber ich kann mir ordentlich Vorwürfe machen wenn ich es bin. Ich wollte zu weilen, Du hieltest mich nicht für so sehr glücklich! Der Gedanke in Dir drückt mich ordentlich, denke nur recht oft daran, daß ich nicht Mutter bin – und vielleicht nie es werde – das ist doch ein bestimmtes Unglück –. Wenn ich es weniger empfinde und leicht drüber hinweggehe – so ist das eine Begünstigung des Himmels – oder eine Kraft – die darum die Entbehrung nicht aufhebt. Aber ich möchte nicht daß es anders wäre darum weil ich von zeitlichen Gütern nichts voraus haben möchte vor meinen Schwestern !

Ich bitte Dich ums Himmelswillen lege nicht den Werth auf das was ich [...] hin und wieder mit Dir theile |3 Alles was nur durch Geld zu erkaufen ist ist ja erbärmlich – und ist ja gar kein Beweis von wahrer reiner Güte. Sey nicht so stolz – und denke daran – wie oft – die wir im väterlichen Hause recht arm waren – und nur reich an Liebe, wie wir uns sehnten nur eimal in unserm Leben andern Menschen eine Freude machen zu können. Dieß Glück hat mir der Himmel geben wollen – soll ich denn mir die Freude durch Deinen Stolz einbüßen? Ich will die Spizen annehmen auch die Nadeln bloß um dich nicht zu kränken. Wenn ich sie Dir wieder schickte schicktest Du mir sie auch wieder – nicht wahr?

Dein Mann hätte doch recht die Noth davon, als von den Zurücksendungen bei Tische. weißt du wohl?

Schreib mir doch – wie es mit den Mädchen geht und ob Du keine Außsicht hast, die gute Person zu bekommen – die die Frau Dir damals vorschlug? Quälst Du dich noch immer so an der Küche – bey jeder Kleinigkeit die Du genießen willst? – Ich zähle ordentlich die Tage da Du die alte gute Frau noch hast. Nun sind es nur noch vier Wochen bis zu ihrem Abschied! -

|4 Bist Du denn die Feiertage gar nicht in Gesellschaft gewesen – bey Ministers – oder bey Wangenheims – oder im Conzert: Gehe doch ja unter Menschen – hörst Du – zwinge Dich recht dazu – und fange bey den unausstehlichsten an, es wird Dir hernach um so leichter werden. Dein Einfall mit der Comödie ist himmlisch – aber ich nähme es in deiner Seele übel – daß man Dir die Mutter-Rolle hat aufbürden wollen, da du jünger bist als die Weiber alle. – Wage es nur lieber unter die Menschen nicht, bevor Du nicht Deiner Sache gewiß bist. Wenn ihr eimal in Leipzig seyd, ganz unter uns da wäre es himmlisch. –

Daß Du mir den Schleyer nicht schickst kränckt mich – ich hatte mich recht in der Seele gefreut ihn für dich – zu verändern. Wenn Du künftig wieder etwas Petinet sticken willst – da [...] [...] es nur ordentlich mit der Bleyfeder drauf – Es geht – ich habe es mit eignen Augen gesehen und wir sind thörigt nicht daran zu glauben.

Zitierhinweis

Von Ernestine Mahlmann an Caroline Richter. Leipzig (?), 30. Dezember 1803, Freitag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0431


Informationen zum Korpus | Erfassungsrichtlinien

XML/TEI-Dokument | XML-Schema

Textgrundlage

H: BJK, Berlin A
1 Dbl. 8°, 4 S. Schluss fehlt. Oft unleserlich, Schrift der jeweils nachfolgenden Seite drückt durch das Papier. VfrH hinter dem Datum: 03.


Korrespondenz

Der Brief stammt aus dem Jahr 1803, kurz nach Ernestine Mahlmanns Besuch in Coburg anlässlich der Geburt von Max Richter.