Von Caroline Richter an Emanuel. Coburg, 8. Januar 1804, Sonntag

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Coburg den 8 ten Jan: 04

Wie muß ich Ihnen erscheinen, theurer Emanuel, mit meiner Kummerrolle, die ich seit einiger Zeit gegen Sie behauptet habe – muste ich erst gestern saufs neue so derb aufgefodert werden sie zu verändern? Was haben Sie nun wieder gethan, Emanuel, wollen Sie mich ganz zu Boden werfen? Mein Mann und ich, wir waren ganz betroffen, als gestern ein Mann in das Zimmer trat, der 2 Tische „sage“ zwei Tische anmeldete mit einer Adreße, an Legazions Rath Richter – die ein Schreiben eines Tischlers [...] einschloß der diese Gabe auf Bestellung des Herrn Uhlfelders, an uns abzugeben hätte. Wir müßen es uns nun so gefallen laßen, was man aus uns macht – wir Ich erinnerte mich des Abends wo Sie in Coburg in der Gymnasiusstraße im Grunerschen Hause drei zwei Treppen hoch, auf gelben Sopha sitzend, einige Worte von einem Tische fallen laßen, Und ich rieth, daß Sie der Geber seyn müsten. Ist die Mehrheit, aber kein Irrthum – sagen Sie mir wie ist das Ganze zu nehmen?

|2 Der Eine ist eine blonde Schönheit, silberfarb glänzend, so fein u zart, daß man ihn kaum zu berühren wagt. Der zweite, eine Braune, weit größer, und erinnert, an die vertraulichen Mahlzeiten, und seelige TheeAbende in Baireuth in Emanuels Stube, die auch ohne einen solchen Denkzettel, unvergeslich bleiben würden. Soll ich sie nun in mein Zimmer sezen, welch eine Mischung zwischenvon Eleganz und Bürgerlichkeit kömt da heraus, eine Dißonanz fürs Auge! Wir müßen durchaus eine andere Wohnung um dieser beiden Tische willen, miethen, eine solche wo das Gesellschaft Zimmer, von dem Wohn, Eß, Kind, und Schlafzimmer verschieden ist, wie hier nicht der Fall.

Sie treiben folglich meinen Mann in den Luxus hinein, und aus seinen Grundsäzen heraus, jedoch werden Sie mir den dreieckigen Hut, und die patentschnalle, den Degen und kurze West – entgegenwerfen, die ja eben so sehr mit seinem Schlafrock disharmoniren.

Wir sind also überall auf halbem Wege.

Welche Theegesellschaften werde ich nun geben – um die Tische würdig zu benuzen

|3 ich habe mir schon den Kopf zerbrochen, wie ich es anfange die vor den Kopf gestoßenen wieder anzulüstern. DennDenen meine Haushockerei das Einladen, und Besuchen verleidet hat.

Wäre nur meine liebe, liebe Ernestine noch bei mir, damit wir beide ein Abend und Liebes Mal daran halten könnten – wir würden dann Ihre Person zu uns hin phantasiren und Couvert und Stuhl submißest respectiren!

Haben Sie nun ernsthaft den innigsten Dank Emanuel, für Ihr liebes Geschenk, das mich noch mehr erfreuen würde wenn es von geringerem Werh wäre – die Wochenhaube die ich zuvor erhielt, war mir fast lieber, daß ich Ihnen nicht früher dafür dankte, lag in den traurigen Tagen die ich seit einiger Zeit durchlebt habe. Mein lieber Junge war an einem heftigen Durchfal krank – ich selbst wurde durch das Stillen matt, und litt sehr an Verdauungsschwäche – die Nahrung von mir versiegte von einem Tag zum andern, und der Gram über alles das, die beständige körperliche Bewegung zu der mich die beiden Kinder zwangen, weil ich |4 nun einmal keine andere Wärterin bei ihnen dulden kann, versezte mich in einen immerwährenden exaltierten Zustand, durch den das Kind notwendig leiden muste. Ich sah mich genötigt das härteste zu thun, und das süßeste aufzugeben, was eine Mutter so glüklich macht: das eigene Stillen – und nur seitdem eine Kuh, die Ammenstelle vertrit gedeihen wir beide wieder. Sie haben keinen Begrif wie ich gelitten habe – es waren fast die schmerzvolsten Tage meines Lebens – und ich ganz allein, ohne eine Freundin, die mich unterstüzt hätte.

Der kleine Junge wird recht schön, daß das sollen Sie troz dem Vater erleben, der ihn anfangs in so schlechten credit bei Aesthetikern gesezt hatte – wie lieb ich ihn, die Emma hat nun keine Vorrechte mehr. Diese geht jezt mit der Mutter die Anlage herauf – spricht fast alles nach – und wird nach Rousseauschen Grundsäzen behandelt, denn ich las neuerlich den Emil wieder.

Grüßen Sie mir Ihren Waffenbruder Uhlfelder so herzlich, daß Sie Ihne von meinetwegen in Gottes Nahmen recht fest umarmen können, denn es giebt ja wohl keinen beßeren Menschen. ich würde Ihm heute schreiben, wenn ich nicht wirklich fortwährend von meinen Kindern, recht süß geplagt wäre. Sie lieber theurer Emanuel, seyn Sie gesegnet.

Caroline.

Grüßen Sie Ottos recht sehr, ich habe mich ganz um den credit [...] gebracht, weil Ihnen nicht schrieb, wären wir nur an einem Ort, das Schreiben ist doch nichts. Lesen Sie doch bitte diese Briefe von meiner Tine.

Zitierhinweis

Von Caroline Richter an Emanuel. Coburg, 8. Januar 1804, Sonntag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0449


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Textgrundlage

H: Jean Paul Museum Bayreuth, Hs JP 20-2
1 Dbl. 8°, 4 S.


Korrespondenz

Präsentat: 26 Jan. beantw. (Antwort nicht überliefert.)