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Meiningen d. 27. Nov.
1801.

Vorholz von mir.

Meine theuere Freundin! Jezt zum Antworten las ich Ihren Brief wieder u. mir war so warm als hätt’ ich Sie umarmt. Du meine gute Amöne! Du fortschimmernder Morgen- u. Abendstern aus meinen Jugendtagen, wie gern u. weich seh ich dich an, geistig u. leiblich! Gewis leben wir alle – Du, O, E., C. u. ich – einmal nahe an unsern Armen; ich habe so viel aus der Zukunft herausgegriffen u. glaube auch an diese Beute. Dan verwirret uns nichts mehr. Das Lebe wohl klingt in das schönere, das du meinem Freunde heute – am Tage des Empfangs – bei seinem Feste zurufst!

N. S. Schreiben Sie das Tagebuch mit losgelassenem Feuer, aber auch ohne den geringsten Wunsch irgend einer historischen Aehnlichkeit. Für seine übrige litter. Bahn wil ich Bürge u Zeremonsmeister sein .

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|2 Du verwirrst meine Gefühle sonderbar, liebste Amöne, daß ich am Ende selbst mit ihnen nicht ins Reine kommen kann, indem die Dankbarkeit für Deine Liebe so hoch heraufwächst, daß sie der bloßen Liebe fast nichts nachgiebt.

Ich bin recht stolz auf Dich, weil ich es weiß, und auch Richter es sagt, daß das alles wirklich mir gehört, was Du mir von Deiner Seele verheißest. Dir darf ich keinen anderen Dank anbieten, als das Ausarbeiten meines Innren nach Deinem Bilde, das Du Dir geformt hast, ist auch mein Ziel, denn wie könnte ich etwas anderes seyn wollen, als das für Richters Bedürfniß paßendste Wesen. Aber Du glaubst nicht wie oft noch mir dis fehlschlägt – ich bin immer noch nicht demüthig genug, und es gelingt mir nicht allemal die Überbleibsel einer kleinlichen Selbstsucht zu vernichten.

Wäre ich bei Dir, so müßtest Du meinen Bekentnißen oft Dein Ohr leihen – ich sehe mich klar, aber einer Freundinn Auge ist umfaßender. –

Ich erinnere mich nicht in meinem vorigen Briefe eine Lobrede auf Dich gehalten zu haben; meine Meinung von Dir ist sehr ernsthaft, und unerschütterlich.

|3 Die Geschichte unseres kleinen Lebens sdie Du foderst – gebe ich so gern, wenn sie gleich einfach ist. Unser [...]Theater dehnt sich nicht viel weiter als als unsere Zimmer aus. Die Einladungen des Herzogs für meinen Mann, sind die häufigsten und seine einzigen u liebsten Erholungen. Er findet dort die intereßantesten Männer aus der Stadt. DieBei unserer neuen Wohnung haben wir außer vielen innerlichen Annehmlichkeiten, die äußerliche, daß wir dennm geistreichsten Geiste gegenüberwohnen, der hier und am Consistorium vorsässig ist, nemlich deßelben Präsident. Er liebt Richter unendlich, doch ist ihr Beisammenseyn ein ewiger Wettkampf von Witz u Einfällen. Seine Tochter ist mein liebster Umgang, sie ist von seltnem Werth. Man nennt sie kalt und untheilnehmend, aber ich habe die freude und den Triumph ihr Herz aufgehen zu sehen, und da find ich Gluth und Innigkeit.

Der Erbprinz von Meklenburg leuchtete vor einigen Tagen in unsere Zimmer hinein – er kam von Hildburghausen hier durch m M. zu sehen, und sonst niemand. Mich hat seine Liebenswürdigkeit unendlich erfreut, aber R. bedauerte nun die kl. Reise nach Hildburgh. nicht früher gemacht zu haben, weil man ihn so sehnsüchtig erwartete. Dort hat der Prinz unserm Herzog von einem neuen Geschenk gesprochen, das vom berlinischen Olymp zu uns kommen soll – wäre es die versprochne Präbende ! Der gute |4 Richter verdiente wohl diese Belohnung.

Warum wilst Du Emanuel blos beneiden um die Freude die er geben will, und nicht sie theilen? Was hält Dich ab Dich mit ihm in den Wagen zu setzen wenn er zu uns fahren will? Werden nicht freudige Herzen die Arme aufheben, Euch zu umfaßen, kommt doch alle, Ihr Dreieinigen zu uns, auch Du und Otto, dem ich dann lebhafter meine Freude ausdrücken will, daß er lebt und ist. Ich will ihm dis selbst noch sagen und ihm danken für seinen Grus – darum nehme ich Abschied von Dir –. Du hast meine ewige feste Achtung und ich denke an Dich wenn die edeln Menschengestalten in meiner Phantasie auf und abgehen – Lebe wohl und verzeih mir noch das ich in meiner Krankheit oft ein Kind war, und Euch allen die frohe Zeit verdarb. So oft Du Emanuel siehst rufe ichhm einen Gruß zu von Deiner Karoline.

und schreib ihr bald.

Zitierhinweis

Von Jean Paul und Caroline Richter an Amöne Otto. Meiningen, 27. November 1801, Freitag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0481


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Textgrundlage

H: Kunstsammlungen der Veste Coburg, A.IV,699,(1),8II26
1 Dbl. 8°, 4 S. 1 S. von Jean Paul, 3 S. von Caroline Richter.

Überlieferung

D: 3. Abt., Bd. IV, Nr. 215 (nur Jean Paul).

D: Persönlichkeit, S. 76–77, Nr. 137 (nur Caroline Richter, unvollständig).

D: Otto 4, S. 281