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Baireuth, Freitag den 1ten Aug. 22.

Geliebte Odilie! Gestern erhielten wir Deinen Brief . Wir hatten auch ganz darauf gerechnet, daß Du theures Kind uns gleich Nachricht von Weldens Aufenthalt bei Dir geben würdest, und daß [...] es so war, freute uns sehr. Vielleicht antwortete ich Dir heute nicht schon wieder, wenn der etwas wehmüthige Ton Deines Briefes mir es nicht auferlegte, Dich sobald als möglich zu beruhigen. Wie kannst Du mir danken, daß der Vater andere Gründe hat, an Dich nicht zu schreiben, als Bequemlichkeit, und Zeitmangel. Er weiß, daß ich Dir Alles schreibe, daher hält er es für überflüßig, und dann schreibe ich meistentheils ohne sein Wissen, da Du ja wohl weißt wie oft er mich auch darin einschränkt. Heute wollte er Dir ein eignes Briefchen schreiben, um Dir jeden Zweifel zu benehmen, aber ich habe wahrhaftig nicht den Muth ihn daran zu erinnern, denn es ist schon spät, und er könnte mir verbieten, heute noch diese Zeilen abzuschicken, und ich halte es doch für besser, wenn mein Kind einen Brief, als keinen, erhält. Also bitte ich Dich Geliebte, laß ja nie den Gedanken an Unzufriedenheit aufkommen. Wenn ich Dir sagte, Du solltest das Wort „erschrecklich“ vermeiden, so war das nur eine kleine Erinnerung die auch dem Geistreichsten gegen Angewöhnungen immer derselben Ausdrücke, kann gemacht werden, denn jeder Mensch verfällt leicht sodarin. So sagt Therese Welden, wenn sie erzählt, jetzt immer "quasi" oder ich, "zum Beispiel" und ich ertappe mich wie oft darauf, und kann es doch nicht ganz lassen. – Mein Fuß wurde in 4½ Tag wieder heil, ich legte mich eben gleich aufs Canapée, und legte erst Goulardsche Salbe , dann Rosenpomade darauf. Jetzt Wenn Du mir jetzt wieder antwortest so vergiß nicht mir die Frage aus meinem letzten Brief, ob Du Kleid oder Mantel brauchst, zu beantworten, sonst werde ich böse.

Hier ist es so kalt, eben bringt Emma den Nachmittagskaffee und der Gedanke daß Du Dich auch damit beglücken kannst, läßt mich ihn mit leichterem Herzen genießen.

|2 Am Montag hatte ich nach langer Zeit einmal Imhofs Knebel, Dietrich Amöne Kamerherrin gebeten. Am Sontag vorher war Stein, Plotow, und Barner bei mir, und da das Thee machen recht leicht ging, faßte ich am Montag den Entschluß. Gestern war Emma in einer Theegesellschaft bei Therese und Luise Welden. Auch diese werde ich nächstens bitten. Die armen Weldens dauern mich sehr, sie müssen ihrem Vater immer Gesellschaft leisten, und Luise kann lange nicht so wie sonst, herkommen. Wenn es Dir nicht zu viel Mühe macht, Erzähle doch noch mehr von Fanny’s Erscheinung, ich glaubte Du würdest mit ihr zum Einkaufen von Augustens Geschenk, in die Läden gegangen sein. Jetzt werde ich mich recht nach einer wohlfeilen Gelegenheit nach W. umsehen. Das neue Mädchen scheint gut zu sein, aber ich sah Marien ungern abziehen, denn in der letzten Zeit erfüllte sie alle meine Foderungen; ich schenkte ihr in den letzten 8 Tagen sogar noch Leinwand zum Hemd, so gut war sie. Der Vater hat Leinwand aus Dresden mitgebracht, wenn Du glaubst mein Kind, daß Du bald neuer Hemden bedarfst werde ich 6 für Dich zuschneiden – aber Du must mir solche Fragen bestimmt und gleich beantworten. Wie rührend Dir der Anblik von Schlichtegrolls muß gewesen sein, kann ich mir denken – und Du, – Ihnen. Aber bedenke daß alle unsre Freuden und Hoffnungen jetzt auf Dich gerichtet sind, und daß wir den theuern Max jetzt wieder in Dir wiederfinden. Darum verhehle uns nichts, und preise und glücklich für Dich sorgen zu können. Vorzüglich schreibe, wenn Dir das geringste fehlt denn dadurch daß der theure es nicht that, sind wir um unser höchstes Glück gekommen.

Nun lebe wohl, die allzufleißige, und wieder mit einem neuen Kragen für sich, beschäftigte Emma grüßt und küßt Dich wie Deine Mutter.

Gib Dir nur keine Mühe beim Schreiben, wir wissen ja wohl daß Dunur aus Zeitmangel nicht anders kannst, und der Vater fand Deinen gestrigen Brief so schön.

Zitierhinweis

Von Caroline Richter an Odilie Richter. Bayreuth, 2. August 1822, Freitag . In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0515


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Textgrundlage

H: BJK, Berlin A
1 Bl. 4°, 2 S.


Korrespondenz

B: Von Odilie Richter an Caroline Richter. Würzburg, 29. Juli 1822, Montag

Zur Datierung: Caroline Richter hat sich im Datum geirrt, nicht der 1., sondern der 2. August 1822 fiel auf einen Freitag.