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B. 10. Oct. 1803

Car. Es ist doch gut, wenn man seine Leute, besonders seine Correspondenten kennet. Was müßt ich mir ohne diese Person-Kenntniß bei Ihnen, v. Ihnen, v. Ihrem gut gemeintem, warmen, heißem Zanken denken? Beinahe käme man in Versuchung wieder zankend zu antworten, wenn man nicht eine Fortsetzung des Briefs befürchten od. erwarten müßte. Hätten S. so viel Güte, mein ewiges Schweigen gut aufzunehmen: warum haben S. sie nicht zum Theil auch b. meinem gewiß endlichen Nichtkommen? Doch ich komme, wenn auch nicht in Ihrem Zanken, wenigstens in Ihrem Fragen u da das nicht viel besser ist, so will ich lieber antworten. Ab. der liebe Gott weiß, ob S. mehr wissen, was S. mich gefragt haben.

"Ja, ich frage zankend (ich will S. kopiren) wenn der Moment nicht unser ist, was gehört denn uns?" Alles Übrige, ist meine Antw., Carol. Die laufende Zeit; die neben ihr stehende Ewigkt. gehört immer u ewig uns – nur der Moment nicht.

Das ist gerade die menschliche Auflösung des menschlichen Räthsels.

Kommen wir ein mal so weit, daß wir nicht wie jetzt Diener – sondern Herren des Moments werden: so u nur dann verdienen wir den Namen Herrn – mit demselben Rechte, als jezt den: Sclaven der Schöpfung.

S. fragen im Allgemeinen, ich hätte also nichts, als so zu antworten; allein ich muß S. versichern, daß ich besonders so an manchem kleinen Umstand hänge, wie der Moment an der Zeit.

Viell. wollten S. mir zankend nicht so viel fragende Vorwürfe zu bereiten, als ich in Ruhe in Ihrer Frage finde.

Wollen S. also blos sagen, daß ich oft nicht Recht habe und dergleichen: so haben S. zwar Recht; ab. im Zanken üb. mich sollten S. nicht auch meinem Uhlf. den Handschuh zu werfen, den ich so gerne f. ihn aufhebe. S. kennen Uhlf., seine Tochter u auch die herrliche Braun nicht, sonst würden S. alles anders sehen u anders beurtheilen. Uhlfelders Tochter weiß eben so viel v. Juden- als die Br. v. Christenthum.

S. haben gewiß ganz Recht, in Allem was S. üb. die gebildeten (eigentl. eingebildeten) Juden u Christen sagen; das läßt sich aber auf Uhlf. u seine Kinder nicht anwenden.

|2 Uhlf. ist – wenn man ihn b. seinem rechten Namen nennen will – ein Mensch.

Seine Kinder werden zu weiter nichts, als zu Menschen erzogen.

Er denkt nicht daran, die Kinder auch nicht, in andern als in menschlichen Verhältnißen zu leben. Traurig ists natürlich, daß es unter den Christen so wenig Menschen giebt, traurig ists, daß Uhlf. f. seine Kinder doch keine Aussicht hat, wenn er dem Kinde (dem Menschen) nicht einen andern Namen geben läßt; allein wie viele säen nicht mit Thränen, um mit Freude erndten zu können?

O, gute Car., dem armen Juden wird es sehr sauer gemacht, sein Besserwerden, sie sind wenige, die Auserwählten unter den Christen, die es ganz gut mit dem Menschen im Juden meinen; ab. wir wollen doch Gott danken, daß er uns einige von diesen Auserwählten gegeben u mit ihnen die Schwächen der Übrigen mit Kraft ertragen.

Caroline, ich verklage Sie bei Ihnen, üb. Ihre nicht ganz gerechte Klagen, über Ihre Lage.

Schwerlich werd' ich die gute Mahlm. in Cobg. sehen können.

Sagen S. mir etwas mehr v. Ihrer Kunst d. i. v. Ihrer Weimarer Arbeit: wie S. Ihre Bekannten in Weimar wieder gefunden u. s. m., u. s. vieles.

Alles was S. hier durch mich kennet grüßt S. durch mich; ab. keiner noch inniger als ich.

Zitierhinweis

Von Emanuel an Caroline Goldschmidt. Bayreuth, 10. Oktober 1803, Montag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0531


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Textgrundlage

Hk: Slg. Apelt
1 Bl., 2 S.