Von Emma Richter an Max Richter. Bayreuth, 7. April 1820, Freitag

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Den 7 ten April 1820.

Wie geht es Dir jetzt, theuerster Max? Hast Du die Ferien recht benutzt? Es ist recht Schade daß es bis jetzt nur Frühlingsblicke gab, und kein dauerndes schönes Wetter.

Wie hat Dir denn Dein Kuchen geschmeckt geschmeckt? Ich konnte mit rechter Ruhe den meinigen verzehren, weil ich wußte daß Du auch einen Feiertags-Kalender an Deinen Kuchen hattest. Mache Dir nur auch immer einen guten Kaffee und erinnere Dich dabei meiner. Neulich war ein Maler aus München da, der uns etwas von Dir erzählte, aber leider nicht so viel von Dir wußte, als wir zu hören wünschten. Er hatte Dich eingemale auf dem Kaffeehause gesehen; bei diesem Worte hoffte ich einiges, aber es war nichts. Du trinkst dort nur ein Seidel Bier.

Sprachst Du nicht in Deinem vorigen Briefe von einem Buche was "Bilder aus dem innern Leben" heißt? Wir haben es jetzt, und |2 lasen gestern die erste Geschichte: "die Verklärte". Es ist das Leben seiner Frau von ihr selber für ihn, in ein Tagebuch eingekleidet. Ihr Charakter steht n in herrlichem Lichte da. Wie schön ist es daß es noch solche ideale Menschen gibt! und wie viele zweifeln an solchen Erscheinungen. Es ist rch recht lächerlich wenn ein Mensch – deren es doch so viele gibt – über alle die andern so viel Böses spricht und sie ihnen gar nichts Gutes mehr zutraut. Er vergißt daß er doch selbst zu ihnen gehört, oder er muß sagen: mit Ausnahme meiner selbst. Und welche Selbst-VerliebungVerliebtheit gehört nicht dazu!

Und doch hätte man jetzt daJedes Recht an den Menschen zu verzweifeln. Denn schon wieder wurde eine abscheuliche That begangen. In Dresden nämlich wurde der berühmte Kügelchen, (von deßen MalereenMalereien Du vielleicht welche auf der Gallerie gesehen), Abends zwishen 8 u 9 eine Viertelstunde vor der Stadt, bei mondheller Nacht ermordet, und in die einige Schritte entfernte Elbe geworfen. Der harmlose Mann war auf seinen Weinberg gegangen. Welcher Schreck für die arme Familie, statt des vortrefflichen Mannes am andern Morgen seine Leiche zu finden.[...]

Zitierhinweis

Von Emma Richter an Max Richter. Bayreuth, 7. April 1820, Freitag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0547


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Textgrundlage

H: BJK,, Berlin A
1 Bl. 8°, 2 S. Schluss fehlt.