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M. den 17ten Jun.

Empfangen Sie, meine verehrte Freundin, den herzlichsten Dank für Ihre gütevolle Aufnahme meiner lieben Ausgewanderten , und für alle Freuden, die Sie und unser theurer Richter ihnen geben. Wie könnte ich mir, nach den vereinten HerzensErgießungen meiner lieben Henriette, Antonie u Amanda, über die glücklichen Tage, die sie an Ihrer Seite u in Ihrem Kreise jezt verleben, – und nach einer so freundschaftlichen Einladung zum Mitgenuß, die Freude versagen, zu Ihnen zu kommen und insbesondere auch noch die kleinen liebenswürdigen Originale kennen zu lernen, die in der Schilderung, welche mir Antonie von Ihnen, liebe Freundin, entworfen hat, – eine so bedeutende Stelle einnehmen! – Die zarte Emma und den kräftigen Max, stellt mir zwar meine Erinnerung noch lebhaft dar; denn wie könnte auch der Pathe seines Pathgens vergessen! – allein wie herrlich müssen sie inzwischen aufgeblüht seyn, unter der pflegenden Hand so seltener Eltern, – u die kleine Nachknospe Ottilie hat sich erst entfaltet, seitdem ich Sie nicht wieder sah.

Ich komme also recht bald, u nunmehr ganz gewiß den 25sten d. M., (wird seyn der Sonnabend nach dem 1sten post Trinitatis) wenn nicht ganz ausserordentliche Welt oder Naturbegebenheiten meinen Reiseplan abändern. Freilich |2 darf ich mir nur einen Tag bey Ihnen erlauben, ohnerachtet ich vor zwey Jahren um die Freude kam, Sie in Kulmbach wieder zu sehen, u eigentlich das Wiedersehen auf 4. volle Jahre nachzuholen hätte; allein schon dieser unverhofft noch für mich nachkommende Genuß entschädigt mich desto reichlicher, je besorgter mich eine Aeusserung meiner Frau, in ihrem ersten Briefe , gemacht hat, "daß Sie weit, weit von mir wegziehen würden!"

Ihrer, aus den alten, lieben Zeiten, so bewährten Herzlichkeit u Güte scheint Henriette inzwischen auch von Seiten ihrer melancholischen Anwandlungen, Genesung zu verdanken, u Ihres edlen Richters Humor, der die Kranken heilt u die Gesunden stärkt, scheint vorzüglich die SterbeGedanken verscheucht zu haben, mit welchen einige hartnäckige Rheumatismen die EinbildungsKraft meiner Frau erfüllt hatten. Ich sehe wenigstens durch ihre Briefe wieder die Heiterkeit hindurchschimmern, die eigentlich ihre natürliche Stimmung ist, [...] die aber seit geraumer Zeit in eine übergroße Aengstlichkeit über ihre Gesundheit ausgeartet war. Mit Freuden bot ich daher die Hand zu einer Reise, die ihr physische u geistige Stärkung versprach u nun auch das Versprechen hält.

Wie soll ich Ihnen aber nur für alles dieses danken, u für so viele alte Schulden der Liebe u Güte! – Doch die Dankbarkeit macht ja stumm, u so soll sich die meinige zu Ihnen aussprechen!

|3 Eigentlich konnte ich es mit Zuverläßigkeit erwarten, daß unsere holde Antonie der herzvollen Caroline sehr bald mit eben so vieler Herzlichkeit ergeben seyn würde, als sie es uns ist, [...] u da Antonie auf unser häusliches Glück einen sehr entschiedenen Einfluß hat: so durfte ich auch hoffen, daß sie von einem so edeln Paare gewiß nicht verkannt werden würde; – u dennoch überrascht mich Ihr u Antoniens gegenseitiger Ausdruck Ihrer sich so schnell vereinenden Herzen, auf das angenehmste. – Doch man muß meine beiden Freundinnen im Kreise der Kinder sehen, um ihren vollen Werth kennen zu lernen u um ihr schnelles Sich entgegen kommen nicht mehr überraschend zu finden, – u dieser Genuß blüht mir ja in wenig Tagen.

Ihre Zufriedenheit mit Amanda u Ihr doch wohl zu gütiges Urtheil über Pauline hat mich sehr erfreut, weil beide meinem Herzen gleich theuer sind, wie unsere gute Henriette mir gewiß bezeugen muß. Doch – etwas muß ja noch zu mündlichen HerzensErgießungen verbleiben, drum nur noch die innigste Versicherung meiner Verehrung u Liebe für Sie u alles, was Sie jezt umgibt, für Alt u Jung, Groß u Klein meine herzlichen Grüße.

Schwendler.

Vom Geheimrath Heim werde ich einen schriftlichen Dank für die angenehme Ueberraschung mit dem ihm anfänglich ganz verborgenen Sinn der bewußten Güte für ihren, ihm sehr werthen Umpräger.

Zitierhinweis

Von Friedrich Christian August Schwendler an Caroline Richter. Meiningen, 17. Juni 1808, Freitag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0568


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Textgrundlage

H: BJK, Berlin A
1 Dbl. 8°, 3 S.