Darstellung und Funktionen des "Kritischen und kommentierten Textes" sind für Medium- und Large-Screen-Endgeräte optimiert. Auf Small-Screen-Devices (z.B. Smartphones) empfehlen wir auf den "Lesetext" umzuschalten.



|1
Leipzig. Am. 16ten Dezembr. 1802.

Mein theurer Vater

Wie viel habe ich nachzuholen! Drey Briefe von Ihrer lieben Hand liegen vor mir, und noch keiner von Ihnen ist beantwortet. Der frühste dieser Briefe bezieht sich auf mein Verhältniß mit Minna. Die Vorwürfe, die er enthält, kränckten und verstimmten mich jemehr sie mich zu treffen schienen. Ich schrieb über diese Materie, zu zwey verschiedenen malen an Sie, mein guter Vater, doch alles Geschriebne, zerstörte ich bald darauf selbst wieder. DdDaurch Dadurch ist es mir klar geworden, daß wenn auch Gegenstände der Art, eine schriftliche Mittheilung zuließen, sie doch nur dazu dienen, das eigne Gemüth zu erbittern und – – die nothwendigste Bedingung des Lebens, die frohe Laune, zu zerstören. – Überheben Sie |2 mich also dieser! – Wohl hätte ich mir schmeicheln mogen, daß Ihr Glaube an mir fester wäre! – Kann es denn meinem Herzen wohl wenig gekostet haben, in eine so unnatürliche Familien Trennung einzugehen? Und muß nicht wenigstens das Wohl eines ganzen Lebens aufs Spiel gestanden haben um es endlich zu dieser zu führen?

Es ist also ohne eine Art der Mittheilung zwischen mir und Minna geblieben; und eine Ändrung dieses Verhältnißes erwarte ich nur von einem Zufall, oder vielmehr einer höhern Lenkung des Schicksals. Ich kann nichts thun. weil ich eine zu große Scheu vor Minnas Heftigkeit habe, deren Äußrungen einem allemal ans innerste Leben greifen. Und meinem Manne bin ich es schuldig mich vor so gewaltsamen Szenen zu sichern, die meine Gesundheit nicht überstehen kann. –Als Minna |3 vor etlichen Wochen krank war, und ein Scharlachfieber zu befürchten war, habe ich ihr meine Pflege und Wartung schriftlich angeboten. Spaz. hat mir aber sagen laßen ich möchte nur lieber nicht kommen weil eine schädliche Gemüthsbewegung zu befürchten wäre. – Und so konnte ich nicht zu ihr gehen.

Ihr zweyter Brief , mein bester Vater kam in Begleitung der schönen Taße , für die ich Ihnen nicht genug Dank sagen kann. Sie hat nicht allein meinem Manne und mir außerordentlich gefallen – sondern allen die sie gesehen haben. Die Form ist so neu und geschmackvoll! –

Endlich Ihr lezter Brief , mein theurer Vater veranlaßte mich, in dem feyerlichen Moment in welchem Sie ein neues Verhältniß un- |4 auflößlich knüpften , unsichtbar, doch Ihnen nahe zu seyn, und mein Gebet, für das Wohl Ihres neuen Lebens mit dem Ihrigen zu vereinigen. Ich denke doch, es ist bey dem einmal bestimmten Termin , Ihres hochzeit-lichen Tages geblieben! und so begrüße ich auch Henriette zu dem Frühlinge Ihrer neuen Existenz recht freundlich und herzlich! –

Leben Sie wohl, mein theurer Vater, leben Sie doch ewig recht wohl und glücklich!

Ihrer
treue Tochter
E'. M.

Zitierhinweis

Von Ernestine Mahlmann an Johann Siegfried Wilhelm Mayer. Leipzig, 16. Dezember 1802, Donnerstag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0599


Informationen zum Korpus | Erfassungsrichtlinien

XML/TEI-Dokument | XML-Schema

Textgrundlage

H: BJK, Berlin A
1 Dbl. 8°, 3½ S.