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B. 21 Aug. 8.

Beste Henriette!

Es ist lange, daß Sie mir nicht geschrieben haben u ich Ihnen nichts gesagt habe.

Dies sag ich Ihnen, nicht als Forderung nach Mehr, nein, sondern als Drang meines Herzens u meiner Feder. Die Liebe ist, darüber sind Sie mit mir einig, ein niederer Grad v. Freundschafft, obgleich diese aus jener bestehet.

Gott weiß es, ich weiß nicht wie mir obiger Perioden in die Feder kam; ich wollte etwas ganz anderes u folgendes sagen: Die Liebe ist einseitig u egoistisch, denn man liebt das Geliebte oder den Liebling od. den Geliebten u dabei u damit ist man glücklich.

Man sieht kein erhöhtes Glück in der Liebe Anderer für unsren geliebten Gegenstand: im Gegentheil, unser Glück der Liebe vermindert sich eben bisweilen durch diese andere Liebe.

Nicht so die Freundschafft, diese will durchaus nicht allein lieben, sie will, daß der Freund, der Seelenbruder, die Seelenschwester geliebt werde von allen Engeln des Himmels u der Erde u sie ist betrübt wenn sie den Geliebten lieben muß allein.

Diese Antwort (Diesen Unterschied nämlich |2 zwischen Eigennutz u Uneigennutz, zwischen Liebe, die doch mehr an sich – u Freundschafft, die inniger an sich denkt,) trag' ich seit den ersten 5 Minuten unsers Findens auf der Lippe herum; heute sollen Sie sie bekommen.

Sie haben mich zwar nachher oft glücklich gesehen; aber ich konnt' es Ihnen immer nicht sagen, daß es mir auf fiel, daß unser erstes Gespräch gleich auf das heiligste im Menschen fiel u daß ich – da ich durchaus nicht darauf vorbereitet war – um so leichter der Theegesellschafft Platz machen konnte am Pfingst-Feyertag .

In der Folge wurd' ich hinlänglich entschädiget. Die Liebe – ich fahre am 5ten Juni fort – hat immer etwas Unsicheres, Unruhiges, Tändelndes, Weibliches, Gereitztes, Ängstliches, Unsicheres u dergleichen in sich; davon weiß die Sfeste, ruhige, ernstliche, männliche, zarte, heiße Freundschafft nichts.

Und so sind alle Verhältniße des geselligen Lebens: belebt nur noch die Liebe sie, da treten meistens die Folgen ihres oben genannten Hofes ein u lassen ihre Eindrücke zurück; beseelt hingegen die aelteste |3 Tochter des Himmels, die Freundschafft, das Leben, dann gewährt die Gegenwart, wie die Vergangenheit einen reinen Himmel auf Erden uns.

Will ich recht froh seyn: so denk' ich mir Ihr Leben mit Richters u Euch, Mutter, Kinder u Schwester mit mir; lese Ihre Guten Morgen, selbst den vorletzten v. Sonntag u da bin ich es.

Das ist die beste Bewährung meiner obigen Grundsätze u bessere als blos mündliche Äußerung. Ich habe vor 14 Tagen eine kleine Ausreise mit meinem Uhlf. glücklich geendiget.

Wir sind nach Döhlau u von da nach dem Alexandersbad bei Wonsiedel u über das Fichtelgebirg nach Hause gegangen.

Auf dem Burgstein hab' ich an zwei Jetten gedacht u Gott, dem ich doppelt näher stand, gebeten, daß er mich neben ihnen da stehen lassen möchte.

Führt Sie Gott eher wieder zu uns, als mich zu sich; so müssen Sie mit mir auf den Burgstein; bin ich schon höher oben: so sehen Sie gewiß zu mir hinauf und |4 beten so gut wie ich.

Hier will ich meine Schuld abtragen u Ihnen die erste Blüthe meiners Heliotrops reichen.

Ab. mein Gott, wie viel Blumen bin ich Ihnen, Euch schuldig?

Unsre Richters sind wohl. Caroline, die Himmelsreine ist es jedoch noch nicht ganz.

Über mich war sie – am Tage nach Ihrer Abreise schon, jetzt lange nicht mehr – sehr böse, daß ich mich nicht in Amandens Stammbuch geschrieben, ohngeachtet sie es weiß, daß ich mich nie in eines schreibe.

Sind Sie wohl, ist es Schwendler, Antoinette, Amanda, Paulina? Grüssen – auch küssen – wenn Sie wollen – Sie mir sie alle u denket doch an

Emanuel

Zitierhinweis

Von Emanuel an Henriette Schwendler. Bayreuth, 21. August 1808, Sonntag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0616


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Textgrundlage

Hk: Slg. Apelt
1 Dbl., 3¾ S. Brief - bzw. Blattnummerierung vfrH.