Von Caroline Richter an Max Richter. Bayreuth, 21. März 1820, Dienstag

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Baireuth den 21ten März
1820.

Geliebter Max!

Da heute des Vaters Geburtstag ist, kann ich nichts Lieberes thun, als an Dich Du guter Sohn zu schreiben, der im Geiste gewis ganz bei uns ist. Zuerst laß mich Dir meine Freude sagen, über den endlich angelangten Brief von Dir. An 10-12 Tage lang war ich in einer unaussprechlichen Angst wegen Deiner Gesundheit, mein Max!, ich bildete mir ein, Du seiest krank, und könntest uns wohl gar sterben weil ich eine Wiederholung des Weldenschen Schicksals fürchtete. Die Zeitungsnachrichten über herrschende Krankheiten in allen Städten, müssen Einem wohl auf falsche Gedanken bringen und wenn Du gleich immer gesund warst, so bist Du doch wie alle Menschen den Gesetzen der Natur unterworfen, und die kräftigsten Menschen können am ersten ergriffen werden. Oft malte ich mir das zur Gewisheit aus, und auch der Vater begann unruhig zu werden. Nun Gott sei Dank, daß es nicht so ist, ich fühle es dankbar gegen die Vorsehung, die uns noch vor dem größten Schmerze bewahrte, aber ich bitte Dich, mein guter Sohn, die Erhaltung Deiner Gesundheit für keine Kleinigkeit zu achten.

|2 ich denke immer, Du giebst Dir keine ordentliche gesunde Nahrung, da Du mit so Wenigem auskömmst. Könnte ich Dich doch pflegen und Dir heute eine guten Kaffee machen, und Dich von dem Gebacknen bewirthen, das natürlich heute für den Vater gemacht. Schreibe mir doch bestimmt Deine Hausnummer nebst Straße und dem Namen des Gastwirths . Warum soll man denn alle Briefe erst durch die dritte Hand gehen lassen? Thue Dir doch von dem Gelde was ich Dir neulich geschikt, etwas zu Gute, kaufe Dir ½ Pf. Kaffee und trinke ihn auf unsre Gesundheit.

Nun lasse Dir erzählen wie wir den Tag angefangen haben. Gestern Abend wurde eine Wagnersche Torte und ein Kugelhopfen mit Rosinen gebacken. Heute um 7 Uhr, die Torte, eine sehr hübsch gestickte Weste von Odilie , eine Zeichnung von ihr, ein paar graue tuchne Beinkleider von mir, und ein grünseidner Geldbeutel von Emma, auf einen gedekten Tisch gelegt, als der Vater zum Morgengruß eintrat. Wir gratulierten, und er war recht froh. Nun probirt er die Weste an, als |3 sogleich Wagners Emil mit einem zugedecktem Korbe eintritt, worin 2 Flaschen Steinwein, und ein Billet vom Professor. Der Vater antwortete sogleich schriftlich . Nun kam 1 Rosenstock und zwei Flaschen Tokager vom Pfarrer Oestreicher, dann der gute Otto selber, bei dem der Vater ein paar Tage zuvor gewesen war, dann der Pfarrer Oestreicher in eigner Person, der mit dem Vater jetzt aber beim Prinzen P. zu Mittag ißt dann Emanuels Mädchen mit einem Billet, und 6 Flaschen rothem Wein. Dann um 12, Frau von Welden mit ihren 2 ältesten Töchtern , deren Namenstag am Sontag mit der Vorstellung von Elisa Walberg gefeiert wurde. Den Abend ißt der Vater zu Hause – es kommt aber Amöne und die Familie Veltheim zu uns, die zwar zur Bamberger Schauspielertruppe gehören, aber doch recht sittliche und anständige Menschen sind.

Ich erzähle Dir das so recht ausführlich, weil ich weiß wie gern man in der Entfernung jeden kleinen Umstand eines bedeutenden Tages weiß – man fühlt sich auf einmal wieder in den Familienkreis versetzt.

|4 Wenn nur mein Guter Max bald den Vater sähe, allein ich glaube nicht, daß der Vater eher reißt als es nicht blos dem Namen nach – Frühling ist. Er will Natur genießen, und in dieser Kälte erstarrt jedes freudige Gefühl. Um Deinetwillen hätte ich es je eher je lieber gewünscht. Deine Freude wird unendlich sein, und Deine Verhältnisse werden durch des Vaters Gegenwart angenehmer sein.

Wie kömmt es nun, daß Du jetzt so einsam bist suche doch jetzt die Otto’s auf, mit der gehörigen Zurükhaltung die ich Dir zutraue ist keine Gefahr für Dich bei ihrem Umgang, und sie sind doch theilnehmend und liebend. Der Vater glaubt es ist etwas Unangenehmes mit Schlichtegrolls vorgefallen daß Du nicht mehr so oft bei Ihnen zu sein scheinst. Was ist wohl die Ursach?

Emma ist wieder zurück. Beide Mädchen sollen jetzt im Französischen und bei Moltento einigen Unterricht wieder bekommen. Julius läßt Dich immer grüßen

Alle Welt frägt nach Dir, und liebt Dich recht.

Nun mein guter HerzensMax, habe ich Dir viel erzählt ach könnte ich Dich an mein Herz drücken! Voß freut sich auf Dich – er schreibt immer gleich warm und liebend an den Vater. Der Vater ist recht gesund, nur einige kleine Blutgeschwüre am Fuß quälten ihn. Die herrliche Welden liebt ihn immer mehr. Tausend innige Umarmungen in Gedanken — Deine treue Mutter.

Zitierhinweis

Von Caroline Richter an Max Richter. Bayreuth, 21. März 1820, Dienstag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0627


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Textgrundlage

H: BJK, Berlin A
1 Dbl. 8°, 4 S.


Korrespondenz

B: Von Max Richter an Jean Paul und Caroline Richter. München, 13. März 1820 (4. Abt., Bd. VIII, Nr.19)