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B. den 21ten Aug: 1822.

Geliebte Odilie!

Gestern hatte ich nicht Zeit zu schreiben weil ich bis auf den letzten Augenblik am Mantel nähte. Wenn er doch gut säße! Daß die Ermel noch nicht darin sind, ist mir sehr empfindlich, nicht um Dich, denn ich weiß daß Du das unvollkommene gern vollenden wirst, aber um Deiner Hausgenossen die das vielleicht ein wenig lächerlich finden werden. A I ch hätte auch lieber noch einen Tag gewartet aber da ich Dich im letzten Briefe mit einer solchen Nachricht getäuscht hatte, indem meine schönes Paket worin außerdem Caffee noch so ein guter Pflaumenkuchen, und der Zucker war, so dachte ich, es wäre besser so, um Dich nicht länger in Ungewisheit zu lassen. Der Pfarrer Oestreicher reißt nemlich mit Pellicot, der ersterer hatte mir das Mitnehmen des Pakets schon zugesagt, ich aber glaubte aus Höflichkeit und Redlichkeit es P. der Madam |2 Pellicot durch die Enzel die sie so genau kennt schicken zu müssen, welches es durch auch, zwar mit einigen Umständen so ziemlich versprach, und als ich am Montag Mittag fragen lasse, ob es auch gewis mit fortgegangen bin ich fast des blassen todes, als das Mädchen es wiederbringt. Gestern zog ich nun den Pflaumenkuchen, der den Mantel hätte durchnässen und beflecken können her und den Zucker heraus. Ich konnte es nicht frankiren weil ich kein Geld hatte

der Vater war nicht zu Hause
, ich ersetze Dir aber das Porto, das gewis recht hoch kommen wird, und bitte Dich Dir ½ lb Zucker holen zu lassen. [...] Doch den Kaffee von hier zu schicken, ist keine Thorheit, wer würde ihn Dir brennen und mahlen wie ich, damit Du nur gleich zugreifen kannst und ihn in Deine kleine Maschine thun. Den Mantel lasse nur von Deiner Wäscherin ausplätten – der breite Streifen ist zum Gürtel, und von dem schmalen dachte ich, wäre eine Schleife oben am Kragen zum Binden, hübsch. Das Futter hinten ließ ich offen, und es mit einem Schnur zu schnüren damit Du es nach Belieben enger oder weiter ziehen kannst.

|3 Nun bin ich nur begierig, ob und wie viel er Dir zu lang ist. Mir schlappt er ringsherum, doch habe ich noch viel Zeug, zum Ansetzen wenn es Noth thut, aber das wäre unerhört, dann müßtest Du so gros, als die Enzel sein. Sei ja recht aufrichtig, wegen dem 2ten Mantel und behalte Deinen ersten, wenn es nur im Geringsten, Dir lieber ist. Schreibe ob man sie immer noch mit rundem Kragen trägt. Das Gestrüfte dieses Mantels, welches so dauerhaft und so fein ist, kostet 20 xr die Elle, und es sind 13 Ellen dazu gebraucht worden. Nicht wahr es ist wohlfeil?

Bist Du denn recht gesund meine Odilie fehlt Dir gar nichts? Jetzt sehne ich mich recht nach Dir. Wenn Licht angesteckt wird, und man die Abende zusammen am runden Tisch sitzt fehlst Du mir, und ich fühle einen oft nicht zu bekämpfende Sehnsucht. Dann denke ich aber, daß Du ja jetzt eingewohnt und vertraut mit den Bewohnern des Stiftes bist als wenn Ihr Eine Familie wäret. Daß |4 Ihr Eure Pläne und Beschäftigungen für den nächsten Tag so macht. Man muß nur immer denken, daß es zu Hause nicht immer so idealisch zu geht, als es sein könnte. Es gibt oft Verdruß über das Essen, über Besuche und Ausgehen, wo man sich oft weit weg wünschte, und das bedenke wohl mein Kind, wenn die Sehnsucht nach Hause, Dich zu sehr anpackt. Du lebst doch so ruhig, Niemand schilt Dich, (ohne Vorwürfe), und es sind doch so redliche unschuldige Menschen.

Gestern habe ich einmal das Essen für den Vater nach der Bürgerreuth, wohin ich den Vater zu gehen, beredet hatte, nachgeschickt. Der Dienstag wird auch bei euch recht schön gewesen sein. Emma und das Mädchen gingen um 12½ Uhr mit Schöpfenbraten, Mehlklößen, kalten gedämpften Pflaumen, und Gurkensalat nebst neuen Erdäpfeln von hier ab. und ich ging um 4½ Uhr mit Mathilde Plotow nach. Der Vater war sehr zufrieden mit dem Ort, und den guten Wirthsleuten und dem Essen. Wir kamen um 7½ Uhr nach Hause. Es war ein himmlischer Abend und die Gegend zum Entzücken während des ganzen Rückweges.

Nun lebe wohl, meine Seele! Gott erhalte Dich zu unserm Glücke.

Deine Mutter Caroline

Die Doktor Sauerheimer, erzählte mir von einer Apotherkerfamilie in W. die erst seit 1 Jahr dortsind, und womit sie gut Freund ist. Besuche sie doch und auch Frölichs .
Zitierhinweis

Von Caroline Richter an Odilie Richter. Bayreuth, 21. August 1822, Mittwoch . In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0660


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Textgrundlage

H: BJK, Berlin A
2 Bl. 8°, 4 S. Auf S. 4 Siegelreste.