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Dessau 24 July 1800

Um Sie wegen Ihrer Vorschläge nicht länger als nöthig ist, in Ungewißheit zu laßen, so melde ich Ihnen sogleich meinen Entschluß, es damit aufzunehmen, wofern nicht ganz unvorhergesehene Umstände denselben beschränken sollten. Ich meine damit insonderheit die Übersicht der Musik des verflossenen Jahrhunderts , wozu nicht wenig Apparat u also Zeitaufwand gehören wird. Doch sollen Sie dieserhalb in keine Verlegenheit kommen. Ich werde, was die Umstände mit mir wollen, auf jeden Fall zum besten der mus. Zeitung zu benutzen suchen u da in Absicht meiner Lage sich bald etwas Entscheidendes ereignen muß , so sollen Sie zeitig genug von dem Nachricht erhalten, was u wieviel mir möglich seyn wird, um darnach Ihre weiteren Entschließung zu nehmen. Schicklicherweise kann doch nur mit dem Eintritt des neuen Jahrhunderts davon die Rede seyn, worüber wir uns verstehen, u bis dahin hat jeder, es sey wer da wolle, noch Zeit genug.

Die Mozartische Sache werde ich nach Ihrem Vorschlage, der auch mir sehr richtig scheint, anzuzeigen mich bemühen. |2 Herr Müller, der damit nun eigentlich am innigsten vertraut seyn muß, wäre, wie mich dünkt, der eigentliche Mann dazu. Unterdeß will ich mich auch wohl zu orientiren suchen. Die Hauptsache ist ganz richtig, daß der Gesichtspunkt der Mozartischen Komposition höher hinauf u über das, was daran sich blos auf dem Instrumente, als solchem, verarbeitet, hinweg gestellt werde. Es ist dabey etwas erstaunlich Einseitiges sowohl als Vielseitiges möglich, was, um vor der Nation würdig darüber zu sprechen, in einem sichern Punkt, von dem allein die Kunst ausgehen muß, gefaßt zu werden. u einem großen Mann in seiner Art kann man wohl, so wie dem Publikum, auf das er wirkte, keinen würdigern Dienst leisten, als wenn man seine Individualität von dem, was Ideal in der Kunst ist u um welches sein Geist sich herumbewegt, erleuchten läßt. Gelingt es mir, dies gut zu fassen u auszuführen, so will ich mich selber freuen, Ihrem Blatte einen Dienst geleistet zu haben.

|3 Über das Liederbuch werde ich meine Meinung sagen u über den Volksgesang zugleich mich etwas breiter machen. Die Sache ist erheblich genug u es will immer noch nichts Rechtes dafür geschehen.

Auch für den Merkur soll etwas eingespielt werden, das auf Theilnehmung des Publ. soll wirken können.

Aber nun ein Wort unter uns. Ich habe keine Ursach mit dem Gewinn, der mir seither von der m. Z. geworden ist, zufrieden zu seyn. Seit einem ganzen Jahr, binnen welchem ich doch manches dafür geschrieben, habe ich keinen Deut von H H. erhalten.

Um Weihnachten schrieb er mir, er sey dieserhalb noch in Rückständen u er werde wieder Musikalien zur Anzeige schicken. Ostern u Fest Johannis kamen heran, u ich sahe kein Blatt, noch weniger Geld. Bey der Rimesse wegen des Gretry geschahn der Sache abermals keine Erwähnung u ich kann nicht leugnen, daß ich darüber so wie über noch manches Andere gegen ihn unwillig wurde. Ich hatte mit meiner Familie so sehr auf eine nahmhafte Summe gerechnet u ihn dieserhalb wirklich rührend gebeten, |4 mir den im traurigsten aller Winter gezahlten Abschlag jetzt in der Noth nicht abzunehmen, sondern auf eine bessere Zeit zu umschieben, die ich insonderheit bey der Herausgabe der bewußten Zeitung ersahe. Statt alles dessen ignorirte er meinen Wunsch, meine Bitte, zog mir mehr als jenen Vorschuß vom Honorar des Gr. ab (es war 1 Ld. bedungen – ein ohnehin für die mühselige Arbeit sehr geringer Preis! – u ich erhielt nur 5 rth. in Kreuzerstücken, wofür er erst nach Geschreibe das Agio gegen Spazier nachschicken mußte).

Die Zeitungsgebühren wurden ganz mit Stillschweigen übergangen u hinterher schrieb er mir

bey Übersendung des Nachschusses
, er habe gemeint, damit bey mir noch im Vortheil zu seyn. Aus einstiger Achtung für Härtel u um in meiner bedrängten Lage nicht einen Mann wie Er mir abgeneigt zu wissen, kam ich vorzüglich mit sogleich nach L. u glaube durch mein Zuvorkommen u alle ersinnliche Delikatesse das Mißverständniß, als beseele mich Eigennnutz, entfernt zu haben. Unterdeß ist die Sache wie sie ist. Bey dem Vortheile, welchen die mus. Zeitung jetzt gewiß schon abwirft, wäre es, gegen andere Zeitblätter gehalten, sogar wenig, wenn für einen Bogen Recensionen wenigstens, wobey sich |5 ohnehin bey gehöriger Ökonomie wenig verdienen läßt, nur 1 Ld. gezahlt würde, u nun – gar Nichts, aber alles Gelieferte seit einem Jahre auf das ehemals ab u zu Erhaltene zurückgeschlagen!

Können Sie mir es verdenken, Freund, wenn ich, bey noch manchen andern Umständen, in sofern ich mich seither überhaupt für mehr überflüßig als im Anfange gehalten glaubte, aber in sofern ich sahe, daß der Gehalt mancher Recension wenigstens nicht eben sonderlich besser war, u ich vielleicht die Ahnung bekam, als würden viel Dinge die erzählen u berichten aufgenommen, weil sie füllen ohne dem Verleger Lasten zu machen ect können Sie mir böse seyn, wenn ich viel von der Wärme gegen das Blatt verlohr, für das ich einst so lebhaft empfand? – Ich erhalte jetzt von Ihnen den überzeugendsten Beweis, daß Sie mir etwas anvertrauen mögen; aber die elenden Kleinigkeiten, die ich da von letzthin bey mir noch liegen habe, waren nicht dazu geeignet, mir Lust zur abermaliger Theilnehmung zu geben.

Daß ich dies nun Alles blos Ihnen allein zu sagen gehabt habe, ergiebt sich aus der Natur der Sache. Es ist ganz überflüßig, Sie um die strengste Diskretion zu bitten. Was ich Ihnen sehr gerade heraus sage, läßt dennoch eine ziemlich schiefe Ansicht zu. Aber das mögen Sie immer bey Härtel bewirken daß er |6 weniger kurz mit Honorar ist. Der zuerst genannte Aufsatz kann am aller wenigsten für 1 Ld. angefertigt werden. Meine Zeit muß ich zu sehr zu Rathe halten. Fordern mache ich aber nicht; es soll von Ihnen selber abhängen, was sie anbieten mögen.

Dem verschmähten Mspt. werde ich nächstens eine andre Bestimmung anweisen; bis dahin behalten Sie es doch, wofern sich nicht zufällig eine Gelegenheit findet, es zu placiren. Es thut mir wirklich leid darum das muß ich aufrichtig sagen; vorzüglich würde mir der Ausfall des Honorars empfindlich seyn.

Herrn Mahlmann habe ich seither alle Tage erwartet. Noch ist er nicht hier gewesen. Wenn auch daraus nichts würde! Ich bin auf alles gefaßt.

Daß Sie meinen Dank zurückweisen, finde ich gut. Sie sollen aber wohl einstens von mir noch hören, woher die Unsicherheit kommt, die Ihnen an mir auffällt. Man ist, was man hat werden müssen.

Leben Sie wohl u gönnen Sie Gutes

Ihrem Sp.

Wegen des eiligen Schmierens bitte ich sehr um Verzeihung.

Zitierhinweis

Von Karl Spazier an Friedrich Rochlitz (?). Dessau, 24. Juli 1800, Donnerstag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0694


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Textgrundlage

H: SBB, Darmstaedter 2a 1788Spazier, Johann Gottlieb Karl, Blatt 3–5
1 Dbl., 1 Bl. 4°, 6 S.