Von Ernestine Mahlmann an Caroline Richter. Ohne Ort, zwischen 1. April und 23. Juli 1804

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son aufgefunden, die Jahr aus Jahr ein f[...] spinnen soll. Meinem Rest von Flachs den wir [...] von der Mutter erbten, habe ich ihr schon gegeben, man bezahlt fürs Stück 8 gr. Das Stück bot [...] aber so viel wie sechs Stück, nach Berliner Zahl. und ist also nicht zu theuer. So schafft man sich doch nach und nach etwas und, wird die Ausgabe kaum gewahr. Mein Mann nennt mich immer einen LeinewandsWurm aber es ist wahr, ich könnte für ein Stück Leinewand, einen Spizen Anzug hingeben.

Dem Vater scheint es ganz Ernst zu seyn daß er diesen Sommer zu uns kommen will. Ich lege Dir hier Briefe von ihm bey die neuesten die wir haben.

Deinen Max zu sehen, gäbe ich viel. Ich kann mir gar keinen rechten Begriff von ihm machen. Warum gefällt er denn aber den Leuten beßer als die Emma. Meine himmlische Emma?

Sagst Du noch zu ihr, gieb Küßechen, und giebt sie noch so gutmüthig ihr Mäulchen her! Das liebe Kind. – Wer wird Dich in denn nun in Deinen Wochen pflegen, meine liebe Caroline? Und wo wirst Du sie halten, wahrscheinlich bist |2 Du dann nicht mehr in Coburg? Fällt es nicht wieder im Ocktober oder November ? –

Wenn mein Mann mit seinen Wünschen nach Berlin zu kommen, rëußiren sollte, dann fällt vollends alle Aussicht weg, daß wir uns wiedersehen. Denn eine Reise nach Berlin, ist doch noch kostspieliger als eine jede andre. Und nach Leipzig wird Dein Mann nie reisen, das ist mir so gewiß wie mein Leben! – Weißt Du ich habe dem Vater schon deshalb einen Brief geschrieben so wie mein Mann es wünschte. Aber davon laß Dir ja gegen keinen Menschen etwas merken. Schreib auch nichts davon in einem Briefe an mich. –

Spazier klagt so oft ich ihn sehe, daß Dein Mann seine Versprechen nicht hält ihm etwas für die Zeitung zu geben. Rede doch Deinem Mann zu daß er etwas schickt . Er hat ja so viel!

|3 Du meinst ich hielte zurück, mit meinen Meinungen über Minna. Es thut mir jedesmal leyd, wenn ich etwas über sie schrieb. daß Dir einen nachtheiligen Eindruck von ihr giebt. Man muß nicht an allen Menschen einen gleichen Maasstab legen – sie ist mir – troz ihrer Herzlosigkeit – die Dich ja nicht verwundern sollte – da Du sie ja an ihr kennst seit ihrer Geburt – gleich lieb. Ich achte ihren Verstand – und alle Gaben kann der Himmel nicht gleich vertheilen. Es ist ja ein zu oft bewährter Saz daß das Herz oft, oder gewöhnlich auf Kosten des Verstandes leer ausgeht, und wieder umgekehrt. Wir paßen freylich gar wenig für einander, doch leben wir ganz artig zusammen und ich wäre nur neugierig wie Du Dich mit ihr, und dem originellen Deines und ihres Wesens vertragen würdest – wenn ihr euch eimal wiedersähet. Es scheint als ob Dir das wahre Bild von Minna ganz aus der Seele verschwunden ist – ihr habt Euch jede neu kennen zu lernen. Minna ist sich immer gleich geblieben – Dir |4 haben neues Leben und neue Verhältniße – neue Züge aufgedrückt – und Dein Charackter spricht sich schärfer und bestimmter aus, als ehedem. Des gegenseitigen Effeckts wäre ich sehr begierig.

Ich habe den Wellins den Du mir meine liebste Caroline zugedacht hattest, wirklich behalten wollen. Es fehlte mir aber beym lezten Einpacken, an Stoff den Kasten gehörig zu füllen, und so griff ich in der Eil nach dem Zeuge, gleich denkend, daß du es misverstehen könntest. Ich wußte mir aber nicht zu helfen.

Die Schu will ich dir besorgen, So wie Du es wünschest. Minna scheint geneigt welche davon zu nehmen. Schreib doch einmal an sie! Ich weiß wohl, daß sie Dir eigentlich einen Brief schuldig ist aber sammle immer glühende Kohlen auf ihr Haupt Dein Herz trägt den Seegen davon. –

Am ersten Oster-Feiertag waren Spaziers Abends bey uns. Weil mein Mann sich zu leicht mit ihm allein ausspricht, wo wird immer ein alter Hofrath Wolke [...]

Zitierhinweis

Von Ernestine Mahlmann an Caroline Richter. Ohne Ort, zwischen 1. April und 23. Juli 1804. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0782


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Textgrundlage

H: BJK, Berlin A
1 Dbl. 8°, 4 S. Ohne Anfang und Schluss.


Korrespondenz

Zur Datierung: Der Brief wurde nach Ostern 1804 und vor dem Folgebrief vom 23. Juli 1804 verfasst, wahrscheinlich im April oder Mai 1804, als Caroline ihrem Vater ihre erneute Schwangerschaft mitgeteilt hat (Brief vom 18. Mai 1804).