Darstellung und Funktionen des "Kritischen und kommentierten Textes" sind für Medium- und Large-Screen-Endgeräte optimiert. Auf Small-Screen-Devices (z.B. Smartphones) empfehlen wir auf den "Lesetext" umzuschalten.



|1
L. 12 Septbr. 4.

Es ist ein wahres Elend, liebster Falk. Die arme Geisselbrechtin ist wieder hier, Mahlmann hat ihr eine Bittschrift an den Einert aufgesetzt, die sie gestern eingegeben; M. hat sich selbst an seinen Schwiegersohn adressirt; aber es wird wohl Alles nichts helfen u die armen Leute werden sehr wahrscheinlich abgewiesen werden . Solch ein lächerlicher Crähwinkel-Stolz ist mir noch nicht vorgekommen. Der Grund warum der E. nicht will, soll der seyn weil ich in No 100 in einer kleinen Notiz , wo ich Geisselbrechts Aufenthalt in Weissenfels verkünde, hinzugesetzt habe |2 "Hoffentlich (bitte zu merken: hoffentlich!) werden wir ihn auch bald in Leipzig sehen" - das ist dem bornirten Bürgermeister in die Krone gefahren, u ich weiß zuverläßig, daß man ihm letzthin erst dies Blatt hat zu lesen gegeben u daß er darüber seine Bemerkung gemacht hat. Ob Sekonda dahinter steckt, der seine Schwäche kennt? ich weiß es nicht. Genug, nach allem Anschein dürfen wir nicht darauf zählen, daß G. hier spielen wird. Heute muß sichs ausweisen.

Unterdeß ist der Frau vorgeschlagen vor der Messe ihr Theater in einem Dorfe Stt Stetteritz , ein Viertelstündchen von hier aufzuschlagen. Die Frau hat sich |3 die Gelegenheit gestern besehen u sie gut gefunden. Nun kommts noch darauf an, ob der Gutsherr, Domherr Bauer u der dortige Aktuarius ihr die Bewilligung geben.

Ich habe sie eben zu Bauer hingeschickt, damit keine Zeit verlohren geht.

Ich möchte, wenn hier nichts daraus wird, gern in meiner Z. losziehen; aber sie nehmen mich bey den Ohren. Alles darf auswärtig gesagt werden (wovon Seume im Freimüthigen das Beispiel giebt , nur hier nicht. Als sie einmal hier im Parterre schändlich mit Unzelmann umgingen u ein allgemeiner Rumor war, alles drunter u drüber ging, beschnitt mir erstlich der Censor |4 mit dem Rector der Univ. meinen Bericht um die Hälfte; u als ich ganz einfach mit den Worten schloß, die sie stehen ließen: die Theaterpolizey sey bekanntlich hier nicht die beste, was aller Welt bekannt ist, weil gar keine ist: so wurde der Einert so grimmig darüber, daß ich 2 mal darüber zu Rathaus gemußt habe. Ich habe den Teufel davon! Laß sie machen! Aber in andere Blätter muß es: u da wäre es wohl nicht übel, wenn Sie die spec. facti wohl aufgestützt in den Freimüthigen, so unter der Hand, schickten; denn dem Merkel müssen Sie ums Himmel Reich nicht die Ehre anthun. Laßen Sie es kopiren u wir wollen es hier von Leipzig aus nach Berlin spediren.

|5 Was Ihren Antrag an Voß betrift, so müssen Sies ihm nicht übel nehmen, daß er ihn refusirt. So was ist nicht für ihn. Um so ein Paar Bogen mag er sich keine neuen Rechnungen machen; auch ist ihm wohl zugleich um Ihren Namen zu thun. Überhaupt wenn Sie mit ihm ferner unterhandlen sollten, so vermeiden Sie doch den Schein, als würfen sie ihn so weg oder würfen ihm was zu. Die Vorschrift, nur eine bestimmte Anzahl von Exemplaren drucken zu sollen, hat ihn ein bischen verschnuppt. Es ist übrigens ein guter Kerl.

Ich u meine Frau freuen uns herzlich Ihrer Gesundheit u Ihres frischen Lebensmuths. Laßen Sie ihn die Narren tüchtig fühlen. |6 Jupiter u seine vortrefliche Gesellschaft soll leben! – Läßt sichs machen, daß Sie meiner Zeitung in Ihren Marionetten Stücken auf eine ordentlich, honette Art einmal erwähnen können, so laßen Sie die Gelegenheit nicht vorübergehn. An Naseweis u Haberecht z. B. läßt sich gewiß jeder gern erinnern

Und das hauptsächlichste, machen Sie daß Sie in der Messe wieder hier sind. Ich offerirte Ihnen vom Grund meiner Seele mein Quartier: aber meine Frau hat jetzt eine Gesellschafterin u Aufseherin der Kinder zu sich genommen, die uns nun vollends allen Platz verengt. Bey Mahlmanns sind Sie ja auch sicher gern gesehen: da ist Platz, u man hat Sie auch da lieb. Grüßen Sie Ihr liebes Weib, u die verständigen Rehe.

von Ihrem Sp.

Zitierhinweis

Von Karl Spazier an Johannes Daniel Falk. Leipzig, 12. September 1804, Mittwoch. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0790


Informationen zum Korpus | Erfassungsrichtlinien

XML/TEI-Dokument | XML-Schema

Textgrundlage

H: GSA, 15/II,1D,13
1 Dbl. u. 1 Bl. 8°, 6 S.