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München am 10
April Abends
um ½ 9 Uhr.

Theuerste Mutter!

Du wirst Dich wundern, daß ich oben so ausführlich die Zeit hersetze, in welcher ich dieß schreib. Aber höre: Mein sehnlichster Wunsch ist vor kurzem erfüllt worden und auf die schönste Art. Schelling gab und verherrlichte mir 2 volle Stunden von 6‒8 Uhr. Die Unterhaltung kümmert Dich weniger, als folgende Bitte. Mein bester Vater soll unmöglich so spät kommen, als sein Brief es aussagt; er soll in 14 Tagen kommen d.h. vor dem 25 April schon da sein. Sein Werk kann hier vollendet werden und die Natur, die ich ihn gerne für den wichtigsten Punkt seiner Abreise halte, mag ihn dießmal nicht abschrecken. Er soll den größten Mann, Schelling sprechen, der mitbittet. Ach treibe ihn an und mache ihm jedes Hinderniß leicht; es ist ja schön Wetter und noch schöneres in ihm, wenn er solchen Männern entgegensieht. Dieser Män Die Stube und Alles soll schon in größter Bequemlichkeit da sein. Kurz, alles Äußere kümmre ihn wenig; nur allein die Seele eines Solchen. O! wüßtest Du, geliebte Mutter, was ich in diesen 2 Stunden war und wie ich es sein noch sein werde, wenn ich alle Tage zu ihm komme, wie er mir erlaubte, um nur seinen Umgang noch recht zu genießen. Ich war so herzlich mit ihm, als ich es je mit dem Vater sein kann; ich weiß nicht, wie das kam und das kalte Bild eines tiefen Forschers war durch eine heitere Unterhaltung und höchst lehrreiche verdrängt.

|2 O Mutter, Du fühlst nicht, was der Jüngling einem Manne in einer Stunde verdanken kann, und wenn nur das Beispiel. Zu Hause, ach! ich weiß es leider, wußte ich weder Dich noch meinen herrlichen Vater zu schätzen und ich kann es jetzt auch noch nicht recht, doch ein der wilde Mensch hat auch eine Ahnung vom Göttlichen. Gute Schwestern! Auch euch ermahne ich Euch, bittet dems den Vater nur darum auch seines Genusses wegen und ehrt und verehrt und achtet ihn, denn ihr müßt ihn erst fassen; und meine Liebe sei mit Eurer gegen den besten Menschen vereinigt. Tausend Dank für Euer aller Brief ; an den Vater kann ich nicht schreiben: ich wüßte auch nicht was ; etwa das Gespräch mit Schelling? So etwas ist lächerlich. Mein jetziges Schweigen soll ihm ein desto größeres Ausströmen meiner Gefühle sein. Dieß wünscht Euer Max, dieß wünscht Schelling, dieß wünscht auch Du gute Mutler , Du beste u ihr Schwestern. Denkt an Euren Max u die erste Antwort gehe gleich am Freitag von Eurer Seite ab. Thut es u antwortet gleich. Dieß erwartet Euer

Max

Grüße an Emanuel, Otto u Voss!

Schelling reist am 25 April mit seiner ganzen Familie nach Stuttgardt. In großer Eile.

Es sind hier herrliche Tage.

Zitierhinweis

Von Max Richter an Caroline Richter. München, 10. April 1820, Montag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). Textredaktion der Briefe von Max Richter: Dürten Hartmann. In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0820


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Textgrundlage

H: BJK, Berlin A
1 Dbl. 8°, 2 S. Auf S. 3 Adr.: Sr. | Wohlgeboren Frau Legazionsräthin | Richter geb. Majer | in | Baireut. Poststempel, Siegel.


Korrespondenz

B: Von Jean Paul an Max Richter. Bayreuth, 5. April 1820 bis 6. April 1820
B: Von Caroline Richter an Max Richter. Bayreuth, 7. April 1820
A: Von Caroline Richter an Max Richter. Bayreuth, 15. April 1820