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Wie erging die Wallfahrt Ihres Mannes, liebe Karoline? Bamberg, Erlangen, Nürnberg, was fand er da Interessantes ? Nur mit wenigen Worten stillen Sie meine Neugierde. Meine Abreise nach Berlin

schreiben sie nicht nach Weimar an die Herder, daß ich nach Berlin gehe; der mich in Weimar gekannt und erkannt, ist tot
ist so nahe , daß ich um die Briefe bitte, die Sie mir mitgeben wollen, auch an Ihre Schwester Mahlmann, wenn ich vielleicht einen Tag in Leipzig bleiben sollte.

Mit dem Präsident redete ich über Wangenheim , der, wie ich von ihm hörte, sich noch auf der Bettenburg bei Herrn von Truchseß aufhält . Herr von Wangenheim könnte mit seinem Verstand, Wissen und Erfahrung jetzo für Bayern ein wohl sehr nützlicher und nötiger Geschäftsmann werden. Reist er nach Wien , so gehet er wahrscheinlich ohnehin über München. Eine Stelle als Geheimer Referendär wird ansehnlich gezahlt, und Einsicht, gute Absichten können da am leichtesten fruchten und gelingen. Auch thut es, wie überall, diesem Departement not, unbefangene, mit sittlich liberalen, edlen Gesinnungen begabte, gründliche Geschäftsmänner zu haben. In Bayern dünken oft die ersten Übungen für die höchsten, und der Staat ist daselbst ein so ominöses Wort, daß man alljeweilen Allgemeinwohl und Anständigkeit verletzt, dadurch selbst die Societät verletzt und erniedrigt wird (diese Ausschweifung müssen Sie mir verziehen). Daß der Präsident von Kalb dazu ratet, darf am wenigsten in Coburg, ja nirgends bekannt werden, aber er möchte dann (wenn H. von Wangenheim dazu geneigt ist), an einen dritten Ort, – ich würde die Bettenburg dazu vorschlagen, sonst einen bequemen Ort, oder Staffelstein, ein Ort, der zwischen der Bettenburg und Trabelsdorf liegt – um, so viel er vermag, den Herrn von Wangenheim mit dem Lokalen bekannt zu machen.

Ich habe eine andere Vermutung über den Herrn von Wangenheim; ich glaube, daß er gothaische Dienste annimmt. Auf jeden Fall können Sie ihm die Idee über München mitteilen.

Ich sehne mich, Nachrichten von Ihrem Wohlbefinden, Zufriedenheit, guten Plänen zu hören. Daß Sie, wenngleich in diesem Jahre nicht (ob es gleich besser wäre), doch im künftigen in Berlin sein werden, wollte ich wetten. Ist es denn wahr, daß Schiller in Berlin ist ? Gestern erhielten wir Briefe von Weimar , davon ist nichts gesagt, und dieser Korrespondent meldet doch sonst alle litterarischen Manipulationen. Böttiger ist jetzo erst nach Dresden abgegangen . Der Sohn des Dichters Voß wird zweiter oder dritter Professor an der Schule und kein Direktor wird weiter ernannt. Kunis der junge Mann d. Frl. v. Bek geheiratet ist gestorben. Der Herzog von Weimar begleitet den König zu der Zusammenkunft mit dem Kaiser von Rußland nach Memel .

Gedenken Sie meiner mit Freundschaft.

Ihre Charlotte.

Frau von Berlepsch ist bei Ihnen . K. Richter möchte mir doch einige Worte von ihr sagen.

Emanuel, den ich grüße und ehre, bitte ich um die Adresse, wo die gute und billige Bischofessenz oder Pomeranzenessenz zu bekommen, denn ich und mehrere verbrauchen viel von diesem Stärkungsmittel.

Verbrennen Sie dieses Blatt, ich bitte.

Schicken Sie mir die Flegeljahre und sonst noch pikante Curiosa; ich sende alles bald wieder zurück.

Zitierhinweis

Von Charlotte von Kalb an Caroline Richter und Jean Paul. Trabelsdorf, Ende Mai 1804. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0848


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Textgrundlage

D: Kalb, S. 98-100, Nr. 92 (HE Berend).


Korrespondenz

A: Von Jean Paul an Charlotte von Kalb. Coburg, 29. Mai 1804

Zur Datierung: Jean Paul unternahm ab dem 17. Mai 1804 eine Reise über Gleußen und Trabelsdorf, wo er Charlotte von Kalb besuchte, nach Erlangen. Der Brief muß nach Jean Pauls Besuch bei ihr geschrieben worden sein und vor dem 6. Juni 1804, an dem Charlotte von Kalb Jean Pauls Brief vom 29. Mai 1804 und damit Informationen über seinen weiteren Reiseverlauf erhielt.