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B. 2 Aug. 5.

Meine gute Car.! Da sitz' ich nun schon vier Monate reisefertig u noch giebt mir die Rgg. nicht nur keinen Geschäfts- auch keinen Lustreisepaß.

V. dieser hänget nämlich meine Reise ab u bevor ich diese Geschäftsreise , wenn auch nicht geendiget – doch wenigstens angetreten habe, kann ich an keine andere denken.

Arbeit – auch wenn sie – wie gewöhnlich die meinige – mit Unannehmlichkeit gemischt wird, ist mir Lust u nöthig; ich bleibe also ruhig, wenn mir der Himmel meinen dreifachen Reiseplan vereiteln wollte.

Ich wollte in diesem Sommer – nach gethaner Arbeit – nach Dresden, nach Regensburg u nach Offenbach wallfahrten u muß nun erwarten – was mir dav. werden soll.

Vielleicht kann ich in der nächsten Woche reisen u Ihnen dieses heute noch sagen.

Ich kann nicht.

|2 Selbst gewählte Abhängigkeit ist, halbe Freiheit. Ihre Reisegefährtin wird nun auch wieder gesund seyn.

Man hat mir schon sehr viel Gutes v. der Pr. Herz erzählt; als ich damals v. Leipzig aus nach Berlin reisen wollte, empfahl mich Richter ihr.

Die Empfehlung hat sie erhalten, aber den Empfohlnen noch nicht.

Jacobi, der erst kürzlich in Berl. war, lobte sie sehr u zog sie der Kalb weit vor ; Richter giebt der Kalb den Vorzug .

Da R. beide näher u länger kennet: so trau' ich seinem Urtheil mehr Richtigkeit zu.

Es ist ein vielwissendes; aber kein gelehrtes Weib. Eigentlich muß sie – wenn man sie nur kurz siehet, sehr viel für sich haben u bei längerem Umgang mag sie doch immer viel Gutes behalten u viel Vorzüge.

Jeder Gelehrte hat seinen eignen Blick für Menschen, besonders für Frauen.

Man kan zwar sagen, daß ihn jeder Mensch hat, aber nicht so scharf u nicht so weit.

Der Gelehrte sieht Alles mit einem gelehrten |3 – oft unnatürlichem – Auge – sich u andere u daher passet er selten in die natürliche Welt u diese selten für ihn.

Ich glaube, daß es zwei Ursachen giebt, die den Gelehrten, nicht auch immer den Edlen, den Würdigen, den Menschen seyn lassen.

Erstens, glauben die Menschen schon genug zu thun, wenn sie nur viel wissen, wenn sie nur gelehrt sind u dieses, zweitens, sind sie mehr u oefter aus Neid, als aus Lust.

Wären die Gelehrten nur halb so böse, als sie eigen sind, es würde ihr wissen auch mehr schaden als nützen.

Aber wer, welcher Laie sollte nicht mit edlen, eignen, ausgezeichneten Menschen lieber leben, als mit dem rohen Haufen?

Und sind diese Edlen auch noch Gelehrte: so mögen sie sich selbst am meisten schaden, wenn sie zu viele Eigenheiten haben; ihr Umgang gehörig angewendet – muß immer v. großem Nutzen seyn.

Viell. glaubten S. nicht, daß mich die wenigen Worte, die S. mir üb. die Pr. H. sagten, so viel sprechen machen würden.

|4 Mündlich ließ sich dennoch mehr u deutlicher dav. sprechen u das soll geschehen – wenn es mir möglich ist.

Meinem Isr. hab' ich seinen Gruß ganz – wie S. mir ihn geschrieben, geschickt.

Ich hoffe daß er Ihnen keine Antw. mehr schuldig seyn wird, wenigstens keine alte.

Was heißt Mittelstand, gute Car.?

Steht nicht jeder Genügsame auf ihm?

Siehet dieser nicht Menschen, die weniger u Menschen, die mehr haben, als er?

Kann nicht jeder, der das siehet, zwischen Demuth u – entfernt v. – Übermuth leben?

Könnt' ich doch bald auch darüber mit Ihnen reden. Meine Addresse bleibt noch: Bayreuth, wenn ich auch nicht darinn seyn sollte. All die Meingen – die meiner Seele angehören – grüßen Sie; deutlich und ausdrücklich Uhlf. u seine Ella, so herzlich nicht gar, als ich mich nenne u Ihnen

aDieu sage.

E.

Zitierhinweis

Von Emanuel an Caroline Goldschmidt. Bayreuth, 2. August 1805, Freitag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0858


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Textgrundlage

Hk: ehemals Slg. Apelt,
1 Dbl. 8°, 4 S.