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Meiningen d. 30ten Maerz
1811

Obschon Sie, mein theurer Freund, leicht glauben können, Ihr zürnender und drohender Brief an S. habe gleich am folgenden Postag meine Feder in Bewegung gesetzt, so war dieser doch schon früher fest dazu bestimt, Sie und Ihre liebe Gattin zu begrüßen, Euch geliebte Freunde, was zwar keiner Wiederhohlung bedarf, die Unwandelbarkeit meiner Anhänglichkeit zu versichern und endlich Sie mit meinem Verluste bekannt zu machen. – Oh wie arm bin ich auf einmahl geworden! Der Himmel nahm mir den Liebling der Schwestern und der Himmlischen zu Liebe, mußte ich auch Antonie, die Geliebte, von mir laßen . Sie fühlen mit mir, wie leer wie bange es um mich her ist, denn außer meinem häuslichen Cirkel, habe ich hier wenig – am allerwenigsten – ein mir nahes weibliches Herz. Aber mitten im Schmerze brachte ich mein Opfer gern, denn wer ist ärmer als mein guter Schwager Fischer der die treuste Gefährtin verlor und auch noch wie er mir mit gestriger Post meldet, das kostbare Pfand der Liebe, sein jüngstes Kind, |2 welches der Mutter das Leben kostete. Ich hätte Ihnen, Guter, manches mitzutheilen – was versteht sich’s nur für Erwählte gehört – in Bezug auf meine Verklärte Friederike. Der Post mag ich ein solches Heiligthum nicht anvertrauen, diese Mittheilung eignet sich nur für Stunden des so schönen nahen Beysammenseins wie wir sie schon oft mit Ihnen feyerten die der Genius der innigsten Freundschaft umschwebt. Friederike war ein außerordentliches Weib! sie wußte die seltenste Identität ihres Wesens in das anspruchlose Gewand der einfachsten Weiblichkeit zu hüllen und von je her war sie für Uns Alle das höchste Vorbild weibliche Würde und Kraft. In einem schriftlichen Vermächtniß an ihren Gatten und an Antonie hat sie sich ein Denkmahl gesetzt wie vielleicht noch kein Weib. Wagner glaubt, es sey nicht allein das tief empfundenste und tief durchdachteste was je einer weiblichen Feder entfloßen sey, sondern auch das zarteste und höchste was ein Weib im Leben leistete. Und Sie ist nicht mehr, o Gott, Sie sollte nicht mehr unter den i I hrigen wandeln! – – – – –

Antonie mußte mich so schnell verlaßen daß ich wie betäubt war, meiner Gefühle nicht bewußt.

|3 Jetzt, o jetzt sind sie mir klar geworden, das friedliche Gemüth meiner A. das harmonische in ihrem Wesen, mit einem Worte, die Schwester, wer giebt sie mir wieder. Das schwesterliche Band ist ein etwas ganz und für sich allein bestehendes Verhältniß, in seine Innigkeit und Treue dringt kein andres ein! – – – Ich bin aber nicht undankbar gegen mein häusliches Glück. S. behandelt meinen Schmerz so zart, meine frohsinnige und doch tief fühlende Amanda giebt sich die herzlichste Mühe mich zu erheitern, die fromme Pauline schmiegt sich so sanft an mich, und Reinhold der Engelsknabe und die kleine Antonia. Ich werde wieder heiter werden aber wann weiß ich nicht – Sagen Sie es mir, Guter, und überhaupt einige Worte wenn es gleich unendlich anmaßend von mir, der Selberschreibenden ist, Sie darum zu bitten. Sie werden mir freundliche lindernde Worte sagen, oh es thut schmerzlich weh im wunden Herzen!

Gruß und Liebe Ihrer lieben Gemahlin, denket
in Liebe

Eurer


trauernen Freundin


Henriette.

ein andermahl schreibe ich Ihnen viel von Wagnern, er grüßt Sie herzlich, seine Gesundheit ist viel beßer aber immer lahm, ich schreibe bald wieder.

Zitierhinweis

Von Henriette Schwendler an Friedrich von Müller. Meinigen, 30. März 1811, Sonnabend. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0961


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Textgrundlage

H: GSA, 68/540, Bl 21-22
1 Dbl. 8°, 3 S.