Von Stanislaus Otto von Dönhoff an Johann Ernst Wagner. Berlin, 14. November 1811, Donnerstag

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Berlin, den 14t: November 1811.

Ihro Wohlgebohren

verehrtes Schreiben vom 30st: v: M: machte mich unaussprechlich glücklich; doch halte ich es für Pflicht, Sie von einem Irrthum zu befreien, in den ich Sie versetzte; denn nicht von meinem Vater, wie Sie es glaubten, sondern von mir, einem 16jährigen Knaben, war der an Sie gerichtete Brief . Ach, mein guter Vater, entschlief schon seit 3 Jahren , zu einem beßeren Leben, und ließ uns hier verwaist zurück. Hätten Sie einander gekannt, gewiß, Sie gewesen wären Freunde gewesen; denn Alles gute und vortrefliche Seelen, sind ja so nahe verwandt.Doch nun erst, da Sie wißen wer und wie wenig ich bin, darf ich Ihre ganze Güte und Nachsicht, in Anspruch nehmen, um mir, dem unmündigen |2 Knaben, den Brief zu verzeihen, den ich an Sie, werther Mann zu richten, die Dreis mich erdreistete. Schreiben Sie diese Dreistigkeit, die mir sonst wahrlich nicht eigen ist, einzig und allein den Gefühlen zu, die Ihr Wilibald, so lebhaft in mir erregte; denn ich konnte der Begierde nicht widerstehn, dem würdigen Autor deßelben, meinen herzlichen Dank dafür abzustatten. Verzeihen Sie mir also, verehrter Mann, meinen vielleicht übereilten Schritt, und übertragen Sie einige von den Gesinnungen, die Sie gegen den Vater hegten, auf den Sohn. Ich bin noch jung und kann ich vielleicht noch einst, Ihrer Freundschaft würdig machen. Danach streben will ich wenigstens, mit allen Kräften; und mit Gottes Hülfe, hoffe ich das Ziel zu erreichen. Wenn Sie mir nicht zürnen, wenn Sie Nachsicht mit meinen Fehlern und Schwächen haben, o gewiß, dann werden Sie mir erlauben, wenn ich einst in Ihre Gegend komme, auch Ihre Schwelle zu betreten, und in dem Kreise der Ihrigen, einige Stunden des wahren, des reinsten Glücks zu verleben. Möge Gott Ihnen beistehn, und Sie recht bald von Ihrer Krankheit be |3 freien. Wie glücklich würde ich seyn, wenn Sie mich durch wenige Zeilen überzeugten, daß Sie mir nicht zürnen.

Ich bitte Sie, mich Ihrer liebenswürdigen Familie, deren Glieder ich so gerne zu meinen Freunden zählen möchte, unbekannter Weise zu empfehlen, und gewogen zu bleiben,

Ihrem
ganz ergebenen
Stanislaus Dönhoff.

P: S: Wenn ich so glücklich seyn soll, einige Zeilen von Ihrer Hand zu empfangen, so haben Sie doch die Güte, meinen Vorna h m en auf der Adresse zu bemerken, damit der Brief gewiß an mich gelang t e .


Zitierhinweis

Von Stanislaus Otto von Dönhoff an Johann Ernst Wagner. Berlin, 14. November 1811, Donnerstag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0970


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Textgrundlage

H: Faksimile Baumbachhaus Meiningen (ehemals Slg. König),
1 Dbl. 4°, 3 S. Auf S. 4 Adr.: Sr Wohlgebohren | des herzogl: sächs: Kammersekretär | Herrn Wagner | in | Sachsen-Meiningen. | franco Eisenach. Siegelreste.