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Berlin, d. 21. Oktbr.

Da ich heute an meine Cousine in Geschäften schreibe, lege ich diese Zeilen bei . Es wird mir am schwersten, an intime Freunde zu schreiben, weil man ihnen die Wahrhaftigkeit bekennen möchte oder sie von ihnen erfahren. Ihre Minna scheint in Strelitz ihren Beruf gewissenhaft zu erfüllen und den mannigfaltigen Unterricht löblich zu leisten ; sie ist vor vielen mit Fähigkeit und Kraft begabt. Übrigens ist sie eine sonderbare Heilige. Ihr Verlangen hat zu viel Gewalt über ihre Vorstellung und Existenz; es vergehen nur wenige Wochen, so beurteilt sie alles wieder wie die Erfahrung und belacht oder beweint den vorigen Wahn. Ich glaube, sie ist jetzo in jeder Rücksicht in der besten Lage, der Himmel gebe Bestand! Hoffentlich kommt sie bald nach Berlin, wo ich sie vielleicht sehen werde. Sie erzählt mit so viel Präcision und Laune. Wäre sie ein Mann geworden, ich glaube, er hätte ein großes komisches Talent, denn diese Gabe und auch die gutmütigen Bonvivanten kann eine Frau nicht entwickeln, und daher ist der Kontrast und die Unklarheit über ihre Natur.

Die Ereignisse, die Nachrichten sind jetzo stündlich neu . Wir leben den Begebenheiten näher, aber bald können diese weiter und wegrücken. Ich will in keine Details eingehen. Es ist mehr wie jemals, wo, kein Mensch weiß, wie morgen sein Los fallen wird. Leben Sie wohl! Der Himmel hat die in dieser Zeit Geborenen nicht zum Genuß erkoren, sondern zum Leiden. Unsere Freundschaft bestehe in der Gefahr - zum ewigen Leben.

C. K.

A. Madame | Madame Richter née Mayer | à Bayreuth.

Ist Fräulein von Schuckmann, die Freundin von Richter, in Berlin?

Zitierhinweis

Von Charlotte von Kalb an Caroline Richter. Berlin, 21. Oktober 1813, Donnerstag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0983


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Textgrundlage

D: Kalb, S. 151–152, Nr. 120 (HE Berend)


Korrespondenz

Der Brief war Beilage eines nicht überlieferten Briefes der Charlotte von Kalb an Auguste von Geiger in Bayreuth.