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Berlin, d. 22. August.

Teure Freundin!

[...] Nachdem ich in dieser Sache nach Geist und Gemüt meine Pflicht erfüllt habe, bin ich ganz beruhigt über den Erfolg dieser Sache und meiner Bemühungen. Wie oft hat der Baum viele Blüten und dennoch im Herbst keine Frucht. Gewiß, ein Wunder wäre es, wenn endlich nach so vielen Stürmen dieser Baum noch Früchte brächte .

Zu Ende dieses Jahres werde ich wohl mehr davon wissen. Ist Jean Paul jetzo in München ? Ich kann nicht wohl lesen, was ich schreibe, so matt sind meine Augen, daher vergeben Sie mir meine Handschrift. Es war noch schlechter, doch Rosmarin-Spiritus scheint die Augen etwas zu stärken.

Ich habe erfahren, daß Fr. v. Helwig jetzo in Bayreuth wäre . Kommt sie noch bei guter Witterung nach Berlin, so gebe ich ihr ein Rendezvous im Tiergarten, damit wir heimlich über so manches mit einander reden mögen. Ich bin nun noch mehrere Wochen allein in der Ihnen bekannten blauen Stube; nur selten und ungern verlasse ich diesen Tempel der Ruhe, des Schweigens und der Freudigkeit einer lebendigen Seele. Sie können denken, wie gleich-, wie weniggültig mir das meiste vorkommt. Auch das bewußte Geschäft in München, welches mir wegen meiner Kinder sehr von Bedeutung sein könnte, auch dafür erkenne ich mich gleichmütig. Vielleicht hat dieses eben beigetragen, daß ich desto schärfer habe aussprechen können.

Leben Sie wohl, meine teure, liebe Karoline! Mit Zeit, Gelegenheit und Umständen schreiben Sie mir auch bald wieder.

Ihre
Charlotte K. M. v. O.

Den 22. Oktober .
An Frau Legationsräthin Richter,
geb. Mayer
in Bayreuth.
Zitierhinweis

Von Charlotte von Kalb an Caroline Richter. Berlin, 22. August 1820, Dienstag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB1003


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Textgrundlage

D: Kalb, S. 186–187, Nr. 143 (HE Berend)

Überlieferung

H: Ehemals Berlin A
verschollen. D erwähnt einen Poststempel vom 22. August 1820, die Postvermerke "fr. Leipzig." und "fr. Hof." sowie ein "zum Teil unleserliches Postscriptum".