Darstellung und Funktionen des "Kritischen und kommentierten Textes" sind für Medium- und Large-Screen-Endgeräte optimiert. Auf Small-Screen-Devices (z.B. Smartphones) empfehlen wir auf den "Lesetext" umzuschalten.



|1
Leipzig 8 April 809

Nur ein recht ernsthaftes Uebelbefinden konnte mich abhalten, m. l. K. Ihren freundschaftlichen Brief mit der Einlage früher zu beantworten. Wie dank ich Ihnen für die prompte Erfüllung wenigstens eines Theils meiner Wünsche , und wie entzückt mich die wahrscheinliche Aussicht der Erfüllung des größten!

Ich bin sehr damit zufrieden, daß die mir zugedachte Novelle ein etwas [...] nachdunkelndes Kolorit haben wird. Nichts ermüdet mehr als der fortgeführte Spaß, selbst der spaßhafte gelungenste , wird zuletzt eine Art frivol an dem eignen Gemüth. Ich sagte Ihnen schon daß ich reicher an dergleichen bin, als an dem was tiefer geht, um so mehr freut mich Ihr Wille. Geliefert haben mir |2 schon viele, unter andern Baron de la Motte Fouqué, bekannt unter dem Nahmen Pelégrin , Varnhagen, Luise Brachman, die Verfasserin der Marie Müller oder Natalie, eine Frau von Ahlefeld aus Danemark . Sogar Herr von Kleist in Dresden hat mir feste Zusage wegen einer Novelle gegeben , Richters Mskpt erwarte ich täglich , von Müchler ist ein dickes Pack eingelaufen . Aber Alles dieses ist nicht Ihr einzig druchdringender Leib und Seel anregender, sich der Einbildung mit dauernder Gewalt einprägender Ton der Darstellung.

Wer hat jemals eine Erzählung geschrieben als die so durch Mark und Bein ginge als Ihre Todtenglocke ? Man kann den Eindruck nicht verwinden, und behält ihn jahrelang heiß und glühend im |3 Gemüthe.

Die bestimmte Zeit des letzten Termin der Ablieferung wünschten Sie zu wißen? – So sag' ich Ihnen denn, daß das höchste was ich thun kann, ist wenn ich ihn bis auf die Mitte May verlängere? Ja, liebster bester Freund, länger dürfen Sie nicht zögern. Dann werden wahrscheinlich schon Anstalten zum Druck gemacht werden. Und es ist dann auch hohe Zeit, wenn im September der Almanach verkauft werden soll.

So viel kann ich noch hinzusetzen, daß Brockhaus den 30ten dieses Monats in Leipzig eintrifft. Er rechnet natürlich schon alles Mskpt. Fertig zu finden. Allein er wird sich hinhalten laßen, wenn er es nur während seines Hierseyen eintreffen sieht. Dieses Hierseyn dauert spätestens bis Pfingsten – uber |4 diesen Termin hinaus darf ich nicht gehen mit dem Verzögern, sonst dürfte ich leicht die Sache rückgängig machen.

Ihre Winke, bester Kind, wegen der Künstler so ich beschäftige verstehe und fühle ich ganz. Gern hätte ich noch feiner gewählt, aber die Zeit verstattet ja nicht sich in einem entfernten Ort als Paris u.s.w. umzuthun. Diese Worte im engsten – engsten Vertrauen, zu Vergeltung Ihrer freundlichen Offenheit.

Leben Sie wohl bester Freund. Kann denn ein Dichter den säumenden Frühling auf keine Weise beschwören? – Wie lechze ich nach ihm. An Leib und Seele ein wenig angegriffen, von den Nebeln des innern und äußern Klimas.

Noch einmal warmen Dank für Ihren körnigen Gartenhüter , den kein sterbliches Auge gesehn hat bis heute, außer das

Ihrer

Minna Spa.

Zitierhinweis

Von Minna Spazier an Friedrich Kind. Leipzig, 8. April 1809, Sonnabend. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB1072


Informationen zum Korpus | Erfassungsrichtlinien

XML/TEI-Dokument | XML-Schema

Textgrundlage

H: SLUB, Mscr.Dresd.App.42,249
1 Dbl. 8°, 4 S.