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Leipzig 5 May 809

Tausend Dank, herzlich geliebter Freund für die pünktliche und unerwartete Ubersendung Ihres Mskpts , deßen Lekture ich mir vor der Hand noch als einen Festtagsgenuß aufspare. Mitten im Getümmel der Meßbesuche, der Aufträge gebenden, des Laufens Einkaufen’s, sich Berechnen’s u.s.w. mag ich das Schöne nicht entweihen durch halbe Aufmerksamkeit. So kann ich jetzt nur noch danken, nicht urtheilen und den ganzen Schatz den Sie mir bestimmten nur ahnend erkennen.

Sie glauben nicht th. F. wieviel darauf ankam, daß alles schon fertig da lag als der Verleger nun ankam. Die Zeitumstände machten ihm in der That Lust machen, eher rückwärts als vorwärts zu treten. Allein die Macht |2 des Geschehenen, die vor seinen Augen beys [...] ausgebreiteten Zeugniße meines Eifers, das unsichtbar über ihm schwebende Gewicht so vieler bedeutender Männer, die Hand ans Werk für ihn gelegt hatten, rißen ihn wieder zu der Höhe hinauf auf welche der erste Enthusiasmus für die Unternehmung ihn gestellt hatte, und er ist nun entschloßen auf Gefahr selbst mancher Aufopfrung, Wort zu halten, und den Almanach in diesem Jahre noch erscheinen zu laßen. In wenigen Wochen alshc also schon, mein geehrter Freund, wird Ihr Mskpt unter der Preße seyn, im Gefolge einer anmuthigen Schaar fröhlicher Geister, die die zierlichen Reihen bilden.

Es ist glücklicher Weise so sehr viel eingelaufen, daß sich die aller vorsichtigste Wahl treffen laßen wird.

|3 Um manchen Nahmen darunter wird es mir leid thun nicht aber um alles Gelieferte. So hat, im Vertrauen Herr von Kleist, eine Novelle eingesandt die zurückbleiben müßte, auch wenn leere Blätter dafür gedruckt werden sollten.

Herr Brockhaus ist ein sehr liebenswürdiger Mann, der alles Schöne mit Wärme umfaßt und eine große Zartheit besitzt. Er ist ein Mensch, der leicht zu misbrauchen seyn durfte und es wohl schon gewesen seyn mag. Er hat für viele Menschen bereits große Opfer gewagt, die ihn hinterher mit Undank belohnt haben. Unter der Zahl dieser ist auch Baggensen. Sie würden staunen wenn Sie dieses Beispiel des Egoismus in allen seinen schillernden Farben erkennen sollten. Brockhaus ist jetzt fast der Einzige Buchhändler Cotta gegenuber |4 der diesem Stand hält. Aber welche Differenz der Temperatur in diesen beiden Gemüthern! Der Eine eben so kalt und hart und glatt wie Marmor, der Andre weich und mild, leicht entzündbar und jedem Eindruck empfänglich.

Sonst ist wohl die Meße arm an geistreichen Erscheinungen [...] gewesen , selbst Bötticher hat sich nur wenige Tage hier aufgehalten.

Nun Adieu! für diesmal, nächstens erhalten Sie neue Nachrichten von mir. Tausend Grüße Ihrer lieben Friederike deren [...] zarte Handschrift mich recht lebhaft an die liebe Schreiberin erinnert hat.

Noch einmal Adieu!

Minna Spazier
geb. Mayer

Zitierhinweis

Von Minna Spazier an Friedrich Kind. Leipzig, 5. Mai 1809, Freitag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB1073


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H: SLUB, Mscr.Dresd.App.42,250
1 Dbl. 8°, 4 S.