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Meiningen den 14n Nov. 1811.

Endlich, mein verehrter Freund, hat mir der faulste von meinen geliebten 4 kritischen Evangelisten – Hans Pauldas MSC. zu meinem J. v. N. mit Griesbachs, Deinen, des trefflichen Schwarz und seinen eignen Bemerkungen wieder zugesandt, und ich vermisse nichts bey den Akten als Griesbachs Briefe . Vielleicht habe ich Dir diese aber nur mitsenden wollen, und werde sie bey'm Nachsuchen noch selbst unter andern Papieren finden.

Gott vergelte Dir viele Liebe, die Ihr mir bewiesen habt! Weiter kann ich Armer nichts dazu sagen – als etwa: Es soll nächstens mehr kommen, wenn Griesbach wieder eine Lieferung expedirt! – Vier verschiedene Urtheile über meine vier Evangelisten – und solche Urtheile – von welchen selbst der eigenwillige Richter die 3 ersten "vortrefflich" nennt und zu welchen auch er aus seinem eignen Schatz noch so vieles hinzuthut – was kann mir schätzbarer seyn! – Aber, theurer Bruder, des gar freundlichen und scharfsinnigen Schwarz Addresse gieb mir doch , damit ich dieser herrlichen Seele selbst danken kann! Seine Worte sind so Schön und gediegen, daß ich ihn innigst verehren muß. Womit kann ich denn so grosse Liebe verdienen, Ihr theuren Menschen!

Was machen die jugendlichen Eltern , lieber Voß? Wir träumen tagtäglich ihre anmuthige Begegnung nach. Sie hatten auf Ihrer Wiederkehr sogar die Güte, meinem Anton zu einer kleinen Skizze zu sitzen. Da er seinen Zeichenapparat aber verliehen hatte, so wurde nichts daraus, als ein Paar weniggetroffene Umrisse, die |2 indessen für mein geschwächtes Gedächtniß vollkommen genügen. Du glaubst nicht, Bruder, wie mich diese ihre Güte gerührt hat. O wohl, selig und glücklich ergehe es dem herzigen heitern Paare. Grüsse sie aus tiefstem Herzen von mir und danke ihnen innigst für die wahrhaft heiligen Stunden, die sie mit ihrem schönen Gottesfrieden mir brachten. Ach Voß – meinen Knaben sind diese klassischen Gestalten eben so unvergeßlich, als mir! Verschmähe es nicht, auch ihre Grüsse, und die meiner Luise und der Mutter den Theuren zuzurufen. Es giebt jetzt für meine Kinder keinen reizenderen Aufenthalt, als Euern Garten, mit den Reben, den ihnen Deine sanfte Mutter mit wenigen Worten beschrieb. – Übrigens darfst Du Dich mit mir freuen, lieber Mensch. Meine Jungen machen herrliche Fortschritte und bleiben gut und fromm. Ich darf es Dir wohl sagen, daß Du im Frühling (denn Du begegnest doch unserm Keßler noch hier?) über Antons Besserung – erstaunen wirst! Selbst Kinderfiguren trifft er jetzt recht gut – und sein eignes Gemüth reinigt sich immer mehr zur Kindlichkeit. Das ist ein überaus braver und bescheiden-verständiger Mensch.

Noch vergaß ich oben, Dir zu sagen: Fürchte Dich doch ja (bey Deinen künftig gütigst zu machenden Bemerkungen) nicht vor der sogenannten Trivialität. Diejenigen dieser Bemerkungen, die Du trivial zu nennen scheinst, sind nur sehr oft die allernothwendigsten und nützlichsten.

Ich kann nicht mehr Bruder! Dank, Gruß und Lebewohl – wohl wohl! Ewig Dein

dankbarer Bruder

JEWagner

Zitierhinweis

Von Johann Ernst Wagner an Heinrich Voß. Meiningen 14. November 1811, Donnerstag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB1114


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Textgrundlage

H: Landesbibliothek Eutin, Autogr. II.37.1
1 Dbl. 8°, 2 S. Auf S. 4 Adr.: Sr | des Herrn Professor Heinrich Voß d. J. | Wohlgeboren | in | Heidelberg. | Postfrey. Poststempel: R.3.MEININGEN Siegelreste.