Von Jeanne Marie Thieriot an Paul Emile Thieriot. Leipzig, 15. Dezember 1800, Montag
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Ich will Dir, mein guter Paul, immer heute schreiben, denn morgen ginge villeicht die Post ab ehe ich es gethan hätte, u. da verlörst Du freylich gar viel vielleicht an den Gewäsche, nicht war guter Paul? – – –
Ehe ich etwas weiter schreibe muß ich den Heinrothschen Artikel in richtigkeit bringen indem ich Dir so viel sage, das es ein rechter Mischmasch war, dessen Sinn wir endlich herausgekriegt zu haben uns schmeicheln, weitere, ganz helle Erklärung muß leider in das 19te Jahrhundert übergehn da wir Dich doch wohl nicht in dem gegenwärtigen wiedersehn. Schade daß Du nicht zur Weihnachtsfeyer hier bist, ich habe mir einen Spas mit Heinroth's vorgenommen den [...] Du noch erhöhn u mitgenießen könntest.
So hast Du uns auch recht gefehlt, vorigen Sonabend, von den ich Dir erzählen muß. Der Papa hatte den glücklichen Einfall, uns spatzieren zu fahren. Der Wagen wurde bestellt, der Papa u Jaques ritten und wir fuhren ½ 2 in Geselschaft des Mag: Heinroth's u. der Plattnern nach Zöbiker . Wie viel Vergnügen man bey dieser letztern hat, ist Dir bekannt, noch dazu brachte sie eine sehr frohe Laune mit, denn sie hatte des Morgens schon große Lust gehabt nach Zöbicker zu fahren, ohne doch die Möglichkeit zu ausführung des Wunsches zu sehn, da sie vorigen Tag mit ihrem Papa in Raschwitz war. Drausen kam auch noch Menzel dazu, als der Papa und Jaques schon fortgeritten waren, setzten wir uns um den Ofen u Heinroth mußte ein Geschichtgen erzählen. Jetzt mußten wir |2 aber fort, u sie wurde noch im Wagen geendigt. Der Nachmitag hatte mir viel Vergnügen gemacht, aber die Nachhausefahrt hat einen besondern Eindruck auf mich gemacht. Es ist mir wie Einem dem man in der Einsamkeit immer von einer schönen Hoffnung geredet, u dem sie nun auf einmal [...] deutlicher u. größer ist. Als wir von dort abfuhren eröfnete schon der Abendstern das schöne Schauspiel das wir genießen sollten; denn wir sahen den heitersten Himmel sich stirnen, u als wir am Thore abstiegen u Heinroth, die Plattnern, u ich in die Stadt giengen war er in seiner ganzen Pracht. Heinroth sprach noch im Wagen eine lange Zeit über die Sterne u unsere Hoffnungen, gleich einem Theologen , ich hörte ihm gern zu, u. habe gewiß einen Theil der Stimung auf dies Gespräch zu rechnen, die ich noch habe u nicht gern wieder verlieren möchte, es ist mir seitdem wieder alles lieber auf der Erde, ich bin heitrer, u sehe wünsche nur daß ich wir einmal alle auf das Sternchen zu wohnen kommen [...] die wir uns hier lieb gehabt haben. – Ich wäre gern wieder gefahren, aber es scheint, der Himmel will uns seine Güte an jenen Sonnabend noch recht fühlen laßen denn seitdem ist das Wetter schlechter, aber das war auch für den 13ten Xber ein himmlisch schöner Tag, möchtest Du ihn doch auch für Dich vergnügt zugebracht haben! so hätten wir auch noch eine Nachlese zu hoffen, denn es ist allemal ein Fest wenn ein Briefchen kömt. |3 Am Sontage da [...] meine Schwester bey ihrer Mutter gegeßen hatte, überraschte ich sie den Nachmitag damit Deinen Brief ; u. da ich's im ersten vergeßen habe, muß ich's nachholen daß mir die Mutter auftrug, Dir zu schreiben, sie wäre uber Deine Abreise sehr erschrocken u ließe Dich recht schön grüßen. Grüße Du die gute Tante Cauern u küße das [...] Teodor Cauerlein , ich wünschte wohl es selbst thun zu können, doch und beneide ich Dich mehr um diesen als den Kindtaufenschmaus. Da kann Dir jetzt ein Diminutivchen alle die [...] trockne, vergebene Mühe ersetzen welche Du Dir manchmal hier gabst Dein Rähtsel zu produzieren, u Teodor in der Wiege ist jetzt der Repräsentant aller hübschen Kinder.
Wenn ich nun aber doch nicht schließe so schließ Du u ließ gar nicht weiter, denn wird gar zu arg.
Adieu, lieber Paul,
adreßiere bald
wieder etwas an
Jeannette Thieriot.
Zitierhinweis
Von Jeanne Marie Thieriot an Paul Emile Thieriot. Leipzig, 15. Dezember 1800, Montag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB1217