Von Amöne Otto an Paul Emile Thieriot. Bayreuth, 11. und 15. Juni 1802, Freitag und Dienstag

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B. d.11 Juni 2.

Was kann ich denn beßeres thun, als gleich wieder an Dich schreiben? Heute bekam ich Deinen Brief .

Hab Dank. Das Du hat mir gefallen und Vieles, doch nicht Alles. Warum hast Du Dich noch nicht in mir gefunden? Und was wilst Du mit der Epistel über die Freundschaft? Fehlt mir, fehlt uns Wahrheit , ? sprich! Beinahe haben mir diese Worte weh gethan. Freundschaft kann nie einseitig sein, eher die Liebe, und diese auch kann dulden, iene nicht. Aber was ist unter uns für Einseitigkeit? Ja, in so fern wir Eins sind. Sind wir das nicht? Darüber schreibe bald und bestimt.

Ich fürchte nie zu viel zu schreiben, warum denn nicht alles sagen wie es im Innern mit brennenden Worten steht?

Aber warum kannst Du nicht? Ach daß Du gekomem wärst, denn mir ist als kennst Du mich noch nicht, weißt nicht wie Du in mir lebst, wie ich Dein bin. Ob Du mein, ob Du in mir? lebst f F rage ich nicht, und meyn es kaum zu wünschen.

Kom doch iezt mit Deinem Onkel , reise durch, da ohnehin der beßte Weg über hier geht. Wie wil ich an Deine Brust fliegen; könnte ich Dich auch nur sehen, gar nicht sprechen. Wie liebe ich Dich! Mit der Gluth der ersten Liebe und wie ein Mädchen, und doch wieder mit der Treue und der Klarheit des Weibes,. Beinahe möcht ich sagen wie ein Mann, wenn ich es leiden |2 könnte, mich damit zu vergleichen. Aber es ist auch anders; zarter und bebender.

Langsam bist Du Mein geworden, wie Alles, aber darum halte ich Dich auch immer vest. Hier Thieriot, in diesem klopfendem Herzen bist Du, so lange es klopft.

Jezt erst habe ich wieder den rechten Ton an Dich gefunden, mein zweiter Brief aber ärgert mich.

Laß Niemand etwas von mir lesen, kaum etwas wißen. Bewahre mich in Dir, laß mich nicht antasten.Eine Menge Blätter (zerstreuter) liegen vor mir, und ich schreibe bald auf dies, bald auf ienes. Kom' doch, ach ich fürchte Du bleibst in Paris. Wer wird Dich laßen, und Alles Dich mir nehmen. Heute nenne ich Dich blos Du, ein andermal, anders.

Deine Gedichte die Du mir im Schloßgarten gabst, hab ich, und kann sie fast auswendig. Und man solte Dich nicht lieben, wenn man Dich hört und liest?

Du v V er zeihe gieb Du dem die Sünde, der es nicht thut; Gott kann es nicht.

Gieb mir ia oft Nachricht von Dir, ich wil Dir auch alles schreiben, mach mich zu einer Deiner Korrespondenten. Gestern mußte ich einen Bettelbrief schreiben, nemlich er wurde von mir gebettelt. An Ahlefeld . Er lies bei mir auf den Brand betteln: ich habe ihn abgelöscht.

Emanuel hat Dein 365 mal kommen auf ein ganzes Jahr bei uns wohnen ausgelegt. Ist es so? Himmel welch ein Leben. Ein Leben wär der Himmel.

|3 Aber Deinen Bleistiftbrief und den darauf folgenden hättest Du nicht schreiben sollen. Sag mir warum kanst Du nicht? Mir Thieriot, die Dir Alles sagt. Schlag keinen ungesiegelten Brief mehr an mich ein.

Schreib mir bald was Du mit der Wahrheit und der Einseitigkeit und der Freundschaft sagen woltest, und ob Du Dich noch nicht unterschreiben willst.

Kom, ich bitte Dich wenn Du kannst.

Thieriot, wie bin ich Dein, Du nicht Mein, doch ich deswegen nicht weniger Dein.

Ich bin noch immer sanft und wil nie anders sein weil es Dir gefält.

Ich kann keine so kurzen Briefe schreiben wie Du, und was möchte ich noch sagen! Aber nichts mehr. Lieber Thieriot, laß mich Dein bleiben, Deine Amöne.

Wider Willen, muß ich eine Nachschrift am 15 machen. Grade kam Dein Zirkelbrief .

Streichen Sie also die Stelle die darinnen, wegen Paris beantwortet ist, aus. Gott sei Dank dafür.

Heute kann ich keinen gescheuten Gedanken faßen, mein Kopf ist von 36stündigen Schmerzen ganz dum. Vorgestern Abend war ein schöner Abend, und eine Sehnsucht nach Dir erwachte durch einen guten Abend, den Emanuel mit Deinem Ton gab. Otto grüßt Dich. Adieu, Adieu.

Bald etwas über Dich

Zitierhinweis

Von Amöne Otto an Paul Emile Thieriot. Bayreuth, 11. und 15. Juni 1802, Freitag und Dienstag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB1256


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Textgrundlage

H: BJK, Berlin V, 138
1 Dbl. 8°, 3 S. Auf S. 1 am oberen linken Rand angepinnter rosa Zettel mit Notiz von Karl August Varnhagen: Amöne Otto an Thieriot. | Baireuth, 11. Juni 1802. Auf S. 4 Adr.: Thieriot.


Korrespondenz

Der Brief bildete eine Sendung mit Emanuels Brief an Thieriot vom 15. Juni 1802.