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B. 20 Dec. 5.

Gute Car.! Ich habe eine Veränderung in der Stellung meines lieben Schreibtisches vorgenommen u das erste Wort, das ich wieder auf ihm schreibe sei Ihnen geweihet u an Sie!

Wenn bei den Juden der Eßtisch heilig gehalten und "Opferstuhl" geheißen wird: so haben sie nicht Unrecht, weil nach uns der Mensch nur so viel essen soll und nur dieserwegen soll, um seinem Gotte dienen zu können (natürlich könnte man den Eßtisch mancher, Opfertisch heißen, weil auf ihm der Geist dem Körper geopfert wird;) aber meinen Schreibtisch zieh' ich schon aus dem Grunde meinem Eßtische weit vor, weil da nur meine Seele – nie mein Körper speißet und gespeißet wird.

Freilich wird da neben und unter häuslichen, kräftigen Suppen – obgleich keine rumfordische, – auch manche Wassersuppe manchem Reichen zu bereitet; aber darinn besteht der Reichthum, in Genügsamkeit, in Zufriedenheit.

Auch ist nur der Reiche dankbar.

Aber sehen Sie wie das Waßer auf der neuen Stelle des Tisches fließet, Car.!

|2 Warum glauben Sie mirs denn nicht, wenn ich Ihnen sage, daß ich gesund bin bis Sie meinen Brief haben?

Wer mir das Gute nicht glaubt, der sollte mir das andere auch nicht glauben u dem darf ich das andere auch nie wieder schreiben.

Hätt' ich meinen dummen, wetterlaunischen Kopf nicht: ich wüßte in manchem Jahr nichts von der unbedeutensten Krankheit zu reden.

Ich bin Gottlob! gesund.

O, gute Car., wie ganz fühl' ich das Niedertreten Ihrer schönsten Gefühle!

Nicht Ein – mehr mals wurde ich so getreten u der, der den getretenen aufhilft – hat mir immer wieder aufgeholfen.

Und am Ende wird man doch aus der Erde hinausgetreten – was auch nichts schadet.

Glauben S. mir's, Car, daß mir Ihr Stolz auf meine Freundschaft recht sehr wohl thut.

Es thut mir Ihr Stolz wohl, weil ich |3 stolz auf ihn bin; denn ich halte Sie für recht gut u recht wahr u ich möchte Ihnen dieses Geständniß, mit allen Wahrheiten, die ich Ihnen seit unsers Findens sagte, in jedem Brief wiederholen.

Ganz, ganz stimm' ich mit Ihnen überein, daß absichtslose, uneigennützige Seelen nichts in der Welt trennen kann, da nur sie – sonst nichts als sie, sie vereinigt hat.

Mir ist es jetzt, indem ich Ihren lieben Brief noch einmal durchlese – als hätt' ich Ihnen ihn schon einmal selbst dem Inhalte nach geschrieben.

Ein edleres Menschenwesen u ein treuern Freund giebt es nicht – als mein Uhlf. ist.

Er schätzt, achtet u liebt Sie rein und hoch u verdient dieß alles auch v. Ihnen.

Recht herzlich grüßt er Sie.

Mir ist es lieb, daß Sie mein Bild nicht gesehen haben – so gerne ich Ihnen die Erlaubniß, es zu öfnen gegben haben würde – weil ich zu leidend gemalt bin und nicht geistkräftig genug.

Es hat auch nicht Einen meiner Freunde befriediget.

|4 Sie sehen also doch, daß ich mich für 8 Thaler zu schätzen wußte.

Die Beschreibung, die Sie mir v. Hamburg machen, macht mir so viel Freude Vergnügen , als die des guten v. Hesse , die Sie lesen werden.

Ich danke Ihnen recht sehr für dieses Gemälde u bitte, bitte um mehr!

Bei uns ist es leider "überall wie bei uns"

Daß ich ein Rittergut gekauft habe, das hab' ich Ihnen längst geschrieben; in der vorigen Woche hab' ich es nun in Besitz genommen u war einige Tage daselbst .

Im nächsten Sommer sitz' ich u arbeite ich darauf – bis ich es nicht mehr habe.

Noch im alten oder gleich im Anfang des neuen Jahres erwart' ich meinen Thieriot, aus Aschaffenburg .

Grüssen Sie mir Ihren guten Bruder u sein gutes Weib u danken S. ihnen für ihr Andenken.

Bleiben Sie so gesund, als wohl Ihrer Seele ist, Car!

E.

Zitierhinweis

Von Emanuel an Caroline Goldschmidt. Bayreuth, 20. Dezember 1805, Freitag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB1272


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Textgrundlage

Hk: ehemals Slg. Apelt,
1 Dbl. 8°.