Von Emanuel an Caroline Goldschmidt. Bayreuth, 17. und 18. November 1808, Donnerstag und Freitag

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B. 17 Nov. 8.

Gute Car.! Endlich glaub' ich eine Stunde für mich erübrigen zu können, die ich mit Ihnen theilen will. V. 14ten u v. 28ten Sept. hab' ich 2 Briefe v. Ihnen vor mir liegen , die mir Vorwürfe seyn würden, wenn sies seyn könnten. Zwei Mal hab' ich Ihren ersten u Ein Mal Ihren letzten Brf. mit aufs Land genommen, aber sie unbeantwortet immer mit zurückgebracht. Jetzt bin ich 12 Tage zu Hause u erst seit einigen fang' ich an zu mir zu kommen. Auf dem Lande hatt' ich die Ehre franz. Einquartirung zu bewirthen u hier hab' ich dieselbe . Zwar verläßt uns unser Korps in einigen Tagen; ob aber nicht ein neues bald nachkommt, das müssen wir erwarten, wenigstens befürchten. In solchen Umständen u Lagen kann man wohl an seine Freunde denken; aber sonst wirklich auch nichts. Eben komm' ich mit meinem treusten |2 Uhlf. v. einer Promenade zurück, die wir, blos im Freien so oft es das Wetter u die Zeit erlauben, machen u auf der wir über die Welt das i. über die Menschen herfallen u uns immer gegenseitig unsre Noth mit ihr u uns selbst mittheilen.

Car. wenn man über zwei Jahre in Feindes Händen ist, da ist es so gut, als hätte man eine Reise gemacht, "da giebt es was zu erzählen." Kömmt Ihr östreicher Kayser nach Hause u Sie sehen ihn: so sagen Sie ihm, daß ich ihm im Namen aller seiner Unterthanen danke, daß er sich auf Einen Kriegsfuß stellet u dennoch mit dem andern auf den festen des Friedens. Friede ernähret, Fürsten u Unterthanen; Unfriede verzehret , Landesherrn / väterund Landeskinder. "Das hab' ich längst auf alten Thalern gelesen" werden Sie sagen, Car., ab. ich wollte Ihnen auch nichts Neues, sondern nur etwas Wahres sagen. Mir hat dieser dumme Krieg schon Manches genommen, worunter mich beinahe nichts mehr dauert, als mein vernünftiger Leichtsinn, mit dem mich der Himmel so schön ausgestattet hatte u der mir oft so gute, bei nahe mehr als philosophische Dienste geleistet hat.

In meinen Jahren sollte man so etwas nicht verlieren, denn man kann es sich nicht leicht mehr erwerben.

Wo oft ein lb d. i. ein Pfund Gründe nichts auswirken, da reichet ein halbes Loth Leichtsinn Trost u Ruhe u hat man einmal diese zwei Kinder Gottes, dann stellt sich Mutter Weisheit auch bisweilen ein u es ist einem oft geholfen. Car., zu denjenigen, die Weisheit eher als Trost und Ruhe haben, zähl' ich nur die sehr wenigen Auserwählten u doch – kann ich mir keinen unruhigen, keinen trostlosen Weisen denken.

18 Nov.Ob ich gleich nur dabei verlor, die Eskeles nicht gesehen zu haben , so ehr' ich doch den Gehorsam, den sie ihrem Manne leistet. Grüssen Sie mir sie; hat sie ab. lieber ein Kompliment – ich ziehe immer einen |3 Gruß vor – so geben Sie ihr eines von mir.

Das Bild, das Sie mir von ihr lieferten, gefällt mir. Ich kenne viel edle, hohe, reine weibliche Wesen; es kann also nicht Bedürfniß seyn, wenn ich noch Eines kennen lernen wollte; aber es ist mir Bedürfniß eigentlich gebildete in unsrer Nazion zu sehen, denn diese fehlen überall noch.

Für Ihr Andenken an meinen Vater dank' ich Ihnen, liebe Car. Uns, seinen Kindern geht es gut, denn er siehet seit 4-6 Wochen wieder recht gut u braucht uns nicht mehr ; ab. ihm geht es nicht gut, leider! Er war viel glücklicher, da er nichts gesehen, als jetzt. Es ist ein beinahe 76iäriger, gesunder und höchst unruhiger Mann, der nie so glücklich war, als wie er nichts gesehen. Wir machen unser Unglück; Gott macht unser Glück – denn er ist unendlich und unendlich gut. Überhaupt, Caroline, sehe ich wenig Glück auf Erden, noch weniger um mich u wie soll man dann selbst welches haben?

Der künftige Schwiegersohn meines, sie herzlich grüßenden Uhlfelders, ein recht braver, biederer, edler, gelehrter Schweitzer, war 6 Wochen bei uns und davon die Hälfte mit mir auf dem Lande vergnügt. Caroline, Jette Braun ist auch nicht glücklich, obgleich sie Herzens- u Seelengüte, einen braven Mann, 2 liebe Kinder u Brod hat!

Gott erhalte Sie gesund und thätig wohl!

E.

Zitierhinweis

Von Emanuel an Caroline Goldschmidt. Bayreuth, 17. und 18. November 1808, Donnerstag und Freitag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB1293


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Textgrundlage

Hk: ehemals Slg. Apelt,
1 Dbl. 8°, 2½ S. Die obere Hälfte von S. 1 und 4 ist herausgeschnitten. Auf der Rückseite von S. 1 eine halbe Seite von B von Caroline Goldschmidts Hand.


Korrespondenz

B: Von Caroline Goldschmidt an Emanuel. Wien (?), 14. oder 28. September (?) 1808, Mittwoch

Die Briefabschrift befindet sich unter dem (herausgeschnittenen) Briefschluß von B von Caroline Goldschmidts Hand.