Von Emanuel an Caroline Goldschmidt. Bayreuth, 14. Dezember 1810, Freitag
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Meine gute Car.! Meine neugeliebte Emanuela u Minna !
Vor mir liegt beständig Ihr jüngster, lang- und wichtiger Brief , für den ich Ihnen, wie für alle seine aeltern Brüder, herzlich danke; dann liegt beständig, in meinem Schreibepulte, vor mir, ein ledernes Börschen , ein sich mit eingeschlichenes Messerlein; nicht minder liegt nicht ferne von mir ein artiges gestricktes Börschen; seh' ich rechts vor mir hinauf: so erblick' ich eine gut gezeichnete Niobe u tret' ich in mein Alkov. so seh' ich gar Ihr Bild u es fehlen mir, wie Sie sehen, selbst der äußern Erinnerungen nicht, an Sie u an meine Pflicht Ihnen zu schreiben; aber wäre mir's möglich gewesen, es hätte dies mal der äußern Aufforderungen nicht bedurft, ich hätte eher an Sie geschrieben.
Ihr Brief fand mich auf dem Lande, in Döhlau ; seit meiner Zurückkunft arbeit' ich von Morgens – nicht allein an angenehmen Liebesbriefen – bis Abends u kann also zu mir nicht kommen, auch nicht zu den Meinen. Übermorgen muß ich auf einige Tage nach Bamberg. Vorher, das hab‘ ich mir vorgenommen, will ich Ihnen antworten. Mein Israel – ich beantw. Ihren Brief in der Folge er geschrieben ist – mit seiner Ella sind glücklich. Der Trauungstag war durchgehends ein rein seliger. Wir waren u machten glücklich alle. Sie wissen, daß ich die Stelle der beiden Väter zu vertreten hatte –; man war mit mir zufrieden.
Unsere wenigen religiösen Gäste wollen sich keiner so schönen Juden-Hochzeit erinnern. Ich gehe zu meinem Israel in die Kost. Meine große Wohnung wird mir jetzt – da ich allein bin und Gesellschaft nicht mehr liebe – lästig.
|2 Im nächsten Sommer werd' ich sie mit einer angenehmen kleinen verwechseln. Der Brief Ihrer Gräfin gefällt mir, ich gebe ihn Ihnen beiliegend mit Dank zurück.
Aber, liebe Car., sie spiellt u mallt nicht; sondern sie spielt u malt. Ich will nur auf 5 Minuten den Gouverneur der viel besseren Gouvernantin machen. Als diese müssen Sie auch segnen (nicht seegnen) große Jagden (nocht große Jagten) u. s. w. schreiben, durch aus nicht, daß mit das verwechseln. Hat Sie Ihr großer Liebling, Vednok , so lieb als ich; so gewöhnt er Ihnen diese kleinen Schreibfehler ab, was ihm, bei Ihrem übrigen großen Fehlen an Fehlern, leicht werden muß, wenn Sie Sich der Feder des Freundes anvertrauen werden, mögen. Der des alten Freundes vergeben Sie ohne dies. Ihr Beruf ist richtig, nützlich u angenehm, Car. Ich freue mich schon darauf, wenn Sie mir auch diese Freude um ein Jahr weiter hinaus schieben, Sie im Kreise Ihrer Zöglinge u Freunde zu sehen. Das Familiengemälde, welches Sie mir lieferten, macht Ihnen um so mehr Ehre, als sie Ihnen noch nicht lange sitzet; denn ich habe uneingeschränktes Zutrauen zu jedem Zuge Ihres Pinsels. Nun hoff'' ich, daß Sie diese Umriße ausfüllen u Ihrem Versprechen nach, mir immer vollkommenere Zeichnungen schicken werden. Was ich besonders liebe, das sind die einfachsten Züge, Einfälle u Handlungen der Kinder. Dürft' ich Sie um Mittheilung derselben – bei so vielen Kindern kann es Ihnen an dergleichen zu bemerken u zu sehen nicht fehlen – bisweilen bitten? Ich will mir Mühe geben, noch recht gut zu werden, um Ihnen, meine gute Pathe, nach zuschlagen. Kann ich mich doch rühmen, auch unter den Katholiken eine Pathe zu haben, da ich unter den Protestanten 1/2 Douz. besitze. So bald Sie mir die Annahme dieser Stelle anzeigten, vermuthete ich gleich, daß Sie sich den Kopf haben waschen lassen . Ihr Herz u Ihre Seele bedürfen keiner Reinigung. Je. Br. empfiehlt Ihnen W. Holzing .
Car. R. ist in Altnburg b. Sp . Auch ich hoffe, wie Ihre gute Gräfin u beweise ihr dadurch, daß zwei Köpfe Einen Sinn haben können, daß Sie wieder ganz gesund sind. Mein Uhlf grüßt meine gute Pathe recht freundschaftlich durch seinen u Ihren alten
Eml
Zitierhinweis
Von Emanuel an Caroline Goldschmidt. Bayreuth, 14. Dezember 1810, Freitag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB1319