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B. 18 Aug 11.

Meine gute Car.! Das müssen Sie seyn, wenn Sie mein langes Schweigen verzeihen u meine Antw. mit Ihrer gewöhnlichen Freundschaft wie ich bitte u. hoffe – aufnehmen.

Tausend u Eine Entschuldigung hätt' ich wohl; aber ich will auch die Eine nicht angeben um die Vergebung ganz Ihrer Güte verdanken zu können.

Doch – um diese noch mehr zu vergrößern, sag' ich Ihnen, daß eine totale Schreibe-Unlust die Hauptursache meines Schweigens war und ist.

Sonst in den bessern Tagen, theilt' ich meine Schreibe-Zeit in Geschäfts- und Liebesbriefe; jetzt lassen mir jene keine Zeit – auch keine Lust zu diesen.

Auch Sie entschuldigten Ihr viel kürzeres Schweigen mit Zeit-Mangel; aber es thut mir warlich leid, mich wider Willen so gerächet zu haben.

Haben Sie großen Dank für Ihren großen, schönen, reichen Brief v. – soll ich es gestehen? – 11ten Febr. u nehmen auch Sie die Versicherung, daß ich seit dessen Empfang oft an Sie gedacht habe.

Der Beruf einer Erzieherin ist allerdings angenehm; ob es aber der Ihrige ist, ich meine |2 ob Sie nützlich seyn können, das ist eine Frage, die ich bald bejahend von Ihnen beantwortet haben möchte.

Ohne dadurch nützlich zu seyn zu können, kann für Sie kein Beruf angenehm seyn.

Die beste Mutter kann nur am besten erziehen, wenn sie noch einen Freund – der beste ist dann der Vater – oder eine Freundin – die beste ist dann ihre Mutter als Gehülfinn an der Seite hat.

Nur zu einseitig werden wir zu bald, wenn wir ein so wichtiges Geschäft, wie das der Erziehung uns ganz allein anvertrauen.

Weit die beste, die gelungenste Erziehung seh' ich hier in dem Hause eines Buchhändlers, eines Doctors Seebek .

Zu erst zog der Doctor mit Liebe sein kindliches Weib und dann beide 8 Kinder meisterhaft. Schade daß diese gute Familie Bayreuth im nächsten Frühling verläßt .

Ihre Weyrother ist gewiß ein braves Weib; diese hat es besser bei der Unterhaltung über Ihr Dienstverhältniß als ich, da sie diese u auch den Menschen kennet. Mir scheint, in dem |3 "Sie scheint froh zu seyn" viel Wahrscheinlichkeit zu liegen, die mich nicht froh macht.

Das Gemälde welches Sie mir lieferten, ist gewiß noch geschmeichelt – das liegt in Ihrem Pinsel – o das gewährt keine glückliche An- noch Aussicht.

Meine Freiheitsliebe hat in den Tagen, in den unsrigen, wo alle deutsche Freiheit zu Grabe ging – mehr zu- als abgenommen und dennoch besteht meine ganze Freiheit blos noch in dieser Liebe zu ihr.

Ob ich je frei werde, das muß u will ich dem lieben Gott überlassen.

Seit dem ich nicht zu Ihnen sprach, hab' ich ein kleines, sehr liebliches Logis bezogen.

In meinem großen Logis gefielich / es mir seit dem mein Bruder mich verlassen , nicht mehr; dieses mein neues füll ich mehr aus u es passet mehr für mich u meine jetzige Stimmung.

[...] Ella ist wohl u wird mir – das vermuth' ich – bald einen Neffen bringen .

Gott laße sie gesund! Wo u wie haben Sie Ihren Sommer zugebracht, liebe Car.? Oft macht' ich |4 kleine Reisen – aber keine weiter als 10-14 Stunden um mich herum.

Meine aelteste Freundin in doppeltem Sinne, meine Voigt beschlieset nun ihre Tage, als Wittwe mit uns.

Sie wohnte sonst 3 Stunden v. hier, jetzt kommt sie u bleibt bei uns, diese kräftige, jugendliche Seele. Sagen Sie mir, sollt' es weniger Verdienst seyn, alten Menschen ihre Tage zu versüßen, als jungen Lehren zu geben oder diese zu bilden, zu erziehen?

Jette ziehet wieder nach Carlsr. p

Silli kommt zurück u ihrem Ziele näher .

Wir unterhalten uns gegenseitig von unbekannten Menschen pp

Uhlf. grüßet.

p

E.

Zitierhinweis

Von Emanuel an Caroline Goldschmidt. Bayreuth, 18. August 1811, Sonntag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB1320


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Textgrundlage

Hk: ehemals Slg. Apelt,
1 Dbl. 8°, 3¾ S.