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Dresden, den 5. Nov. 1825

Theure, innig verehrte Frau!

Ihr Schreiben würde der guten Frau v. d. Recke eine sehr willkommene Erscheinung gewesen sein, wenn es nicht eine so traurige Botschaft mitgebracht hätte. Sie selbst befindet sich jetzt in einem sehr leidenden Zustande, der ihr keine ganz schmerzenfreie Stunde zu Theil werden läßt, und ihr das Athmen, besonders des Morgens und Abends sehr erschwert. Das ist der Grund, weßhalb sie die Beantwortung Ihres freundlich-traurigen Briefes mir überlassen muß. Aber das Schreiben an den Fürsten Metternich mit einem dringenden Briefe an ihre Nichte, die Fürstin von Hohenzollern zu begleiten , das konnte sie sich nicht versagen; und jenes Schreiben ist sogleich den Tag nach seiner Ankunft zu seiner Bestimmung abgegangen. Die Fürstin ist im Begriff in diesen Tagen selbst nach Wien zu gehen; und so traf die Angelegenheit ihres Gesuches an Metternich in einen sehr bequemen Zeitpunkt, und die edle Fürstin, die den hochgefeierten Mann so innig liebt und verehrt, wird gewiß alles thun, was nur irgend zur Beförderung der Sache dienen kann, deren befriedigender Ausgang um so mehr zu erwarten ist, indem man dadurch dem allerwürdigsten der deutschen Schriftsteller nichts weiter, als Gerechtigkeit widerfahren läßt; und das Beispiel der Begünstigung für Göthe hier sehr gebietend einwirkt und gewissermassen keine ausweichende Minister-Antwort zuläßt, da beide Männer auf Einer Linie stehen.

Daß der Herrliche des Augenlichtes jetzt gänzlich beraubt ist , – ach! wie tief hat uns das erschüttert! Sie sagen in Ihrem Briefe nichts davon, daß vielleicht eine Operation zur Herstellung des vortrefflichsten Mannes Hoffnung gibt; und dieß beunruhigt die tieftrauernde Freundin so sehr, daß ich Sie, theure Frau! recht dringend bitten soll, ihr einige Nachricht gütigst zukommen zu lassen. Auch mich peinigt derselbe Schmerz und ich vereinige meine Bitte mit der unsrer gemeinschaftlichen Freundin. Bringen Sie verehrte Frau, Ihrem vortrefflichen Gatten im Namen seiner Freundin und in dem meinigen die herzlichen Worte der Freundschaft und Liebe dar.

Gott sei mit Ihnen!

Tiedge.

Zitierhinweis

Von Christoph August Tiedge an Caroline Richter. Dresden, 5. November 1825, Sonnabend. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB1391


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Textgrundlage

D: Denkwürdigkeiten 3, S. 338–339.