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Regensburg d. 16. Nov.
1803

Ich habe immer gefunden, daß die Menschen eben so wenig Narren darauf sind, die Reisebegebenheiten eines Freundes zu erfahren, den sie an Ort u Stelle "glüklich angekommen" wißen, als ich auf ihr Erzählen: ich will daher Dich mein lieber Emanuel auf Deinem eignen Papier so wenig mit dergleichen plagen als mich selber – lieber mit Einleitungen, Vorerrinnerungen, Bemerkungen, Wendungen wie: "ich übergehe das mit Stillschweigen" unnöthigen Entschuldigungen, ausgeführten Scherzen, die ich ordentlich con amore mache treibe , und Umwenden.

|2 Gestern früh um 7 fuhr ich mit dem einem Post-Leiterwagen in den hiesigen Schwarzen Bär ein – drin mit den Beinen in warmes Waßer u. darauf in ein Bette.Um 8 stand schon Fritz davor und rezitirte eine Irritation, mit der er mir schon fehl-entgegengegangen war, in das Haus seiner Mutter zu ziehen – die ich aber rund abschlug. – Abends um 5 war ich schon mit Pak u Sak in mein hübsches Zimmer im Hofräthin Schäferschen Hause eingezogen und wäre also, wie Du siehst, fast meinen Prinzipien untreu geworden, worüber Du aber nicht lachen mußt.

Vormittag, Mittag und Abend dieses ersten Tages war ich übrigens bei Brauns – die Zilli hatte man damit |3 erschrekt, daß ich nicht käme, damit ich sie noch hübscher erschreken könnte – Sie flog mir zuerst entgegen, da ich mit Fritz in die Thüre trat – eine andre Dame flog [...] glaub ich nicht, sondern blieb auf dem Sofa sitzen – ich sprach hernach einige Worte mit ihr, nachdem ich erst Brief u Sachen u. Grüße pp von Emanuel abgegeben u. so gut als möglich auf die wiederholten Fragen geantwortet: warum er denn nicht mitgekommen?

Ich erzähle nur mittelmäßig, weil ich eben den 2ten Mittag b. Brauns verdaue. (apropos, ihn hab ich auch gesehn: er ist nicht übel, könnte aber weniger häuslich seyn)

Abends b. Thee muß es der Satan karten, daß ich gerade aus den Allem. Gedichten den Karfunkel vorlese: "Stroßwirths Tochter, was hesch denkt?" Aber was T. müßen auch die Weiber Alles auf sich beziehn, selber die starken?

|4 Ich lernte hier eine artige Person kennen, die glaub ich weitläuftig mit Dir verwandt ist – sie hat Gaben u. besonders die zu geben: sie hat heißt Jette u. hat eben einen Brief an Dich geschrieben, worin sie mich verklagt, u. sie liest diese Seite. Leb wohl.

Th.

Zitierhinweis

Von Paul Emile Thieriot an Emanuel. Regensburg, 16. November 1803, Mittwoch. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB1502


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Textgrundlage

H: BJK, Berlin A
1 Dbl. 8°, 3½ S.


Korrespondenz

Präsentat: Am 22t beantw.