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Regensb. 18. Nov.
1803

Vorgestern, mit der indirekten Post, haben wir Dir geschrieben , Emanuel.

Habe neuen Dank, Alter, für Deine Jette. Doch habe ich mir sie – nach Allem – ein wenig so gedacht.Sie ist prächtig gesund, und kocht nicht allein sondern ißt auch so, daß ich als Medikus nicht genug zur Diät anhalten kann. Dabei muß sie so etwas etwas reizendes haben selber in ihrer Kälte, daß ich – wenn sie da ich ist, nicht, aber – wenn sie fort ist, mich (wär ich nicht kälter als sie) beinahe halb [...] vergaffen könnte.

|2 Blos ihr Geschmak (in Büchern) ist nicht ganz nach meinem.

Den vorgestr. Brief schrieb ich mit einer abgeschriebenen Feder von ihr, diesen mit einer herrlichen eigends geschnittenen von Braun, der ein naiver unschuldiger gem. Mann ist und für sich betrachtet nicht liebensunwürdig.

Freilich bin ich noch immer mehr in Bair. zu Hause, wo ich schon mehr zu Hause war, und in beträchtlichere Aepfelschnitte getheilt war – bloß zwischen mich und Dich – Aber die Leute hier sind recht gut (mit meiner Wirthin , zu der ich wider Willen zog, u. ihrem treflichen Fritz leb' ich ungenirt u. ungenirend, hoff ich) und das Bett ist nicht schlechter als Deines, ja ich habe nicht die Noth, jeden Abend die Dek-Deke auf einen Stuhl od. Tisch verpflanzen z müßen.

|3 Von Dir soll ich freilich mehr erzählen, als ich gern wüßte – Das Haus des Kanzellist Selig ist ein Tempel, worin man Dich anbetet und mich venerirt weil ich Dich verkündige – für Deinen Täufling wird entsetzlich teuflisch gearbeitet, Mützen Kittelchen u Hemden gestrikt od. sonst verfertigt – Noch gestern Abend sprachen wir davon u. stimmten uns bei:daß Du mehr schreiben solltest d. h. nämlich mehr als Briefe – das heißt, arbeiten, wenn dieses Lieben heißt.

Sage dem Uhlfelder, oder laß es den Guten lesen: seine Zilly und ihr Gesang (auch ihr Spiel) würden durchaus gut – das prima vista , worauf ich keinen Werth legen kann, wird sie leicht erwerben.

Die Vollmacht macht' ich geltend aber nur auf die ausgenommene Seite – Spitzbub! Ich bin aber noch nicht sicher, ob ich die rechte bekam.

Meine Sachen wollen noch nicht recht gehn. Nach München muß ich wahrscheinlich eher als die Tax. hieher. – Oeffne ja Alles was Du mir nachschikst.

|4 Ich wollte den Brief erst mit einer détaillirten Beschreibung meiner jetzigen Tagesordnung anfangen, in die ich nach der Ordnung, wie in meinem Zimmer ist, alles einflickte, was in diesem herumliegt – Ich wollte Dir erzählen, wie ich heute früh, wenn als ich Deine Nachtmütze ab- u. Deine Unter-Beinkleider angezogen mich mit Deiner Windsor-Soap gewaschen hatte und Deinen grünen Huts-hut von Deinem schwarzen Hute gehäutet gethan hatte, diesen ergriff, Deine Brieftasche, Dein Pergament und Deinen Bleistift zu mir stekte, wobei ich beklagte, daß ich Dir die Feder gelaßen hatte

so wie auch meinen Mantelsak (wofür Du mir einen Barbiersak gegeben) mein Sofa in der braunen Stube, und leider die Mandeltorte.
, mit Deinen Perspektiv ein wenig durchs Fenster sah nach Vis-à-vis und da ich keines fand, mit diesem Brief in der Hand zur Jette ging, erst aber von Deinem blauen Papier ein Couvert um Dein weißes schnitt; und mit einem Fluche von mir, daß ich Dein Petschaft nicht mehr hätte – bloß noch unterzeichnete wollte ich schließen:

Dein Thieriot

Zitierhinweis

Von Paul Emile Thieriot an Emanuel. Regensburg, 18. November 1803, Freitag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB1504


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Textgrundlage

H: BJK, Berlin A
1 Dbl. 8°, 4 S.


Korrespondenz

Präsentat: Am 22 beantw.