Von Paul Emile Thieriot an Emanuel. Regensburg, 9. Januar 1804, Montag

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Regensburg 9. Jan. 04.

Meinen ersten Abend wieder in Regensburg, da hast Du ihn.

Mit der widerlichsten Gesellschaft, einem bairischen Kuchelmensch , einem jungen phlegmatischen breit weinerlich lachenden bairischen Kammermädchen; und einem aufgeräumten bairischen Kürschner, welche beide sich einander mir zu bekannte Räuber- und Geistergeschichten erzählten, wobei das Mädchen jeden ihrer Sätze mit einem unerträglichen Jetzt anfing. (Jetzt kommt er herauf. – Jetzt sagt er zu ihr pp) mit solchem Volk, das mich nicht einmal schlafen lies, war ich heute Nachmittag um 5 Uhr bis an die Neue Uhr gefahren. d. i. unweit Brauns und Schäfers . Hier stieg u. pakt ich ab, und zog mit Pak und Sak (Deinem bekannten) ohne Bedenken bei der Hofräthin ein – zwar |2 unterdeßen nur auf ihrem Vorsaale, weil glücklicherweise niemand zu Haus war. Mich selbst schaff ich, noch in der Mantel-emballage, sogleich zu Brauns.

Ich schleiche mit Vorsicht erst zu den Mädchen hinter, muß mich aber weitläuftig bewillkommnen laßen eh ich erfragen kann, was macht Mad. Braun? – Heute geht’s endlich beßer, hör ich verwundert – da kommt die Silly dazu, die erst vor Freude aufschreit aber bald zu klagen anfängt, wie schlimm es bis jetzt, wo es wieder gut gehe, gegangen sey, wie viel die Jette gelitten habe, daß noch niemand zu ihr dürfe, daß sie im Bette noch nicht einmal sitzen könne.So gehen wir langsam vor.Drin heißt mich Braun matt willkommen, aber zur glücklichen Stunde gekommen, weil seit heute |3 die Beßerung entschieden sey.

Auch die Schäfer, die aus dem Krankenzimmer kommt, kann mich nur flüchtig begrüßen, u. nur Fritz springt wie sonst auf mich zu.Alles ist blaß und still im Zimmer bis auf den kleinen Heiden (Sonntag ist Kindtaufe) der den Mund gestopft haben will – es ist aber, so viel ich davon verstehe, ein schönes Kind, Dein Pathlein.

Fritz fragt mich, wo ich abgestiegen, im Lamm, in den 3 Helmen, im Bär – und wills errathen. Ich weiche der Antwort noch aus, nehme aber sogleich Abschied, laße nur der Hofräthin ihre Lene, die eben mit Kochen für den Kleinen fertig ist, mitgeben und mich von dieser in einigen Gasthöfen herumführen, bis ich endlich hier im Pfau ein hübsches Quartier u hübsche Leute finde. Dann schike ich die |4 Lene mit dem Hausknecht nach meinem Koffer, der sich unterdeßen selber bewacht hat, bestelle mein Souper, und breche kühn mein halbes Versprechen an Braun noch heute wiederzukommen, lasse ihnen durch die Lene gute Nacht sagen, wünsche sie der Jette, und Dir.

Thieriot

Zitierhinweis

Von Paul Emile Thieriot an Emanuel. Regensburg, 9. Januar 1804, Montag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB1520


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Textgrundlage

H: Jean Paul Museum Bayreuth, Hs JP-57
1 Dbl. 8°, 3½ S.

h: BJK, Berlin V, 138
Briefkopierbuch der Briefe Thieriots an Emanuel, H. 1, S. [12]–[13] (kurzer Auszug).


Korrespondenz

A: Von Emanuel an Paul Emile Thieriot. Bayreuth, 16. Januar 1804

Präsentat: Am 16t Jan. beantw.