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Bayreuth, 9t Febr. 1804

Thieriot! "— Aber für den guten Thieriot wünsch' ich Ihr ernstes Wort. Die Gebrüder Gugel – von ihm an mich empfohlne grosse Waldhornisten – sagten mir, daß er in München durch sein Betragen sehr misfallen, 1) daß er erst nach 3 Wochen zu den Musizis gegangen, da doch da grosse sind, 2) daß er sie alle zu leicht behandelt u beleidigt, da doch München wegen grosser berühmt ist u. ein grosser Violinist doch einen elenden achten mus, der ein grosser Hornist oder des etwas ist, 3) daß er das Publikum gerade so falsch behandelte als ich ihm hier vorwarf. Er kündigte nämlich im Museum an, daß er die Spiele verschiedener Meister geben wolte – welches a) eine kleine Unbescheidenheit war, sich als einen Chrestomathen von Meistern zu geben, folglich als deren Über-Seher, b) eine Verrechnung beim Publikum, das nun die ältere Viottische Manier u. die neuere hören muste – als blosse Studien –, indes dasselbe weder die Originale dieser Kopien kent noch an den Kopien sich erfreuen kan u. wil – es wil reine dilettantische Lust. Wer wird Geigern geigen? Man sol ungemein unzufrieden mit seinen Worten u. Wahlen gewesen sein. Jene musikalischen Stücke u. |2 Akademien könnt' er ja geben, wenn er fixiert wäre als Director für 1 Publikum.

Am Ende wird ers noch hier; denn in Wien wird er mit seinem Verachten und Verstehen noch schlimmer fahren. – Überhaupt warum setzt er denn überal das Minimum der Musik voraus, u. in München gar? – Wie alle Virtuosen liegt ihm das unverdauete Lob im Magen, weil er das Salz dazu – den Tadel hinter dem Rücken – nicht mit bekommt.Sagen, ja kopieren oder geben Sie ihm das alles; denn ich lieb' ihn wie meinen Sohn, ja mehr; u. ich weis doch, daß er so in kurzem arm wird. Rechnen Sie ihm seine Zukunft – d. h. die Sklaverei der Dürftigkeit – recht vor.

Richter"

Mein Thieriot! Ich habe ganz treu ab- und nachgeschrieben; aber viel lieber hätt' ich Dir'(s) geschrieben.

Aus der Feder unsers Richters ist mir alles stärker, weil er es ist.

Und doch – so bald ich es hatte und den Willen es Dir zu geben: so mußte ich es doppelt d. h. (nach einem lateinischen Sprichwort) gleich geben.

|3 Vielleicht kannst Du diese einigen Worte in Wien benutzen, vielleicht magst Du so gar.

Die braven Gogel haben also einen verkehrten Urias-Brief aus dem Deinen gemacht!

Wie geht Dirs, Thieriot?

Mir geht es seit einigen Tagen wieder recht gut.

Aus Regensburg hab' ich, seitdem Du heraus bist, keinen Buchstaben bekommen; aber Uhlfelder von seiner Tochter gute Nachricht daher.

Die Rosalie Voelderndorff erzählte im Konzert dem Otto, daß sie aus Regensb. Nachricht erhalten hätte, daß Du daselbst einigen süßen Billetenwechsel gehabt hättest.

Jetzt will ich Dir auch sagen, daß die Rosalie, die mir einen Brief von der Hofr. Heim in Meiningen gebracht, davon ich Dir das Kouvert geschickt habe , ein schönes Mädchen ist und die erste Sängerin in unsern Konzerten sein soll. Willst Du mehr wissen?

Oft ist mirs, als könnt' ich Dich nie anders als glücklich sehen – und oft sehn' ich mich nach Deinem Glücke.

|4 Richters sind wohl und ihm ist besonders wohl, denn ich hab' ihm erst 2 Faß und 2 Fäßlein Bier geschickt.

Er freut sich so sehr daß Du und ich uns so schön lieb haben.

Es ist doch gewiß ein sehr großer Unterschied im Lieben – selbst im ganz reinen Lieben.

Könntest Du wohl, nicht einem andern, nur Dir, deutlich angeben, wie Du jeden Deiner ersten Lieblinge liebst?

Soll ich Dir Deinen Traum nach Wien schicken , Deinen Traum, von dem Richter sagt: "Sein Traum an die Taxis ist für sich witzig und schön und treflich" oder soll ich Dir ihn aufbewahren?

In Oestreich – so lange Du in ihm bist – macht uns das Empfangen und das Geben unsrer Briefe Porto-Freude, da keiner ganz frankiren kann.

Moecht' es Dir im Kayserlichen – Dir u wo mirs ni re cht gefallen hat – gut gehen!

Schreib bald, Thieriot; wenn Du nichts zu schreiben hast: so schreib mir Deine Billets p ab, oder schreibe mir eins.

Leb wohl, leb recht wohl!

Emanuel

Zitierhinweis

Von Emanuel an Paul Emile Thieriot. Bayreuth, 9. Februar 1804, Donnerstag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB1531


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Textgrundlage

H: BJK, Berlin V, 138
1 Dbl. 8°, 4 S. Auf S. 1 am oberen linken Rand angepinnter rosa Zettel mit Karl August Varnhagens Notiz: Emanuel Osmund an Thieriot. | Baireuth, 9. Febr. 1804. | (Hierin Auszug aus einem Briefe | Jean Paul Richter's.)


Korrespondenz

A: Von Paul Emile Thieriot an Emanuel. Wien, 24. Februar 1804