Von Emanuel an Paul Emile Thieriot. Bayreuth, 31. August 1805, Sonnabend

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Bayreuth, 31ten Aug 1805.

Mein Thieriot! "Sie thut nur so" sagt' ich zu Uhlfelder, als er zu mir sagte: unsre Jette ist recht klug"; aber stündlich und täglich seh' ich es mehr und ganz ein, daß er und ich Recht haben.

Vergangnen Sonntag ließ man mir nicht so viel Zeit, Dir meinen Emanuel gar zu schicken.

Morgen will ich mir selbst den ganzen Sonntag nehmen und ihn den guten Voigts nach Schwarzach und ihr unsre Freunde mit bringen, da schreib' ich Dir heute.

Dieserwegen bin ich doch morgen auch bei Dir und überall und wo und wie ich bin.

Wärest Du mit Haut und Haar jetzt bei mir, es wäre dennoch noch besser.

Du würdest die Jette nicht stören, auch nicht ihre Plane: keine Gesellschaften haben und in keine gehen zu wollen.

Noch lieber wäre mirs, Du ste / äckest |2 bis weilen in mir, damit ich nicht nöthig hätte zu erzählen, wie ich lebe, Dir.

Es ist nicht zu erzählen, wie viel zu erzählen wäre und wie wenig man erzählen kann, besonders mit der Feder.

Heute ist es schon 8 Tage, daß Jette hier ist und noch sah ich sie nicht neben Caroline auch nicht neben Richter.

Sie wohnt bei Uhlfelder, kommt selten zu mir, doch bisweilen, versteht sich bei dieser Edlen nicht allein, ich sehe S s ie aber nachmittäglich und abendlich täglich.

Unter meinem kleinen guten Menschenkreiß und vielmehr in ihm, mag keiner mehr so den andern, wie ich den ganzen Kreiß noch, mein Thieriot.

Ich wünsche – vielleicht vergebens – daß mich jeder noch so liebte, wie ich jeden liebe noch von den Meinigen.

Man kann wohl nicht glücklich seyn, auch nicht – beim besten Willen nicht – glücklich machen, wenn man zwischen guten Menschen steht, die einander verkennen und sich.

|3 Ich bin durch das Daseyn Jettens und vollends durch deren Hierseyn mit dem guten Mädchen Silli; durch die Freude die dieses Hierseyn meinem guten Uhlfelder machet sehr glücklich und so glücklich, daß es mir lieb ist, daß Jette mit ihrem herrlichen, gesunden Jungen durchaus am liebsten zu Hause seyn mag.

Einige Nachmittage verlebten wir in Uhlfelders Garten und den gestrigen unvergeßlichen in Tenzenlohe und auf dem dortigen Berge, dem Bleier.

Dein Gedicht, am 3t Aug., und Deinen Brief v. 29t Jul. kann ich nicht oft genug lesen.

Alles was Du mir v. der H. sagst glaub' ich Dir; ich glaub' auch an Deine Festigkeit und es thut mir sehr wohl, daß Du diese zu erhalten gewußt hast.

Wär' ich ietzt hier nicht glücklich: so wär' ich es wahrscheinlich bei Dir und sähe die H., die ich seit Deinem Letzten sehr achte.

Man kann dem schönen Geschlecht mit leichterer Mühe vor dem starken, als diesem vor jenem warnen.

|4 Oft wünsch' ich mir graue Haare und Jahre um sicherer zu stehen – gehen möcht' ich nicht – (denn ich habe und besitze genug) ge und oft dank' ich Gott, daß er mich so bis hierher geführt und hier her gestellet hat.

Was wirst Du alles noch erfahren, m. Th., bis Du Deinen 39sten Geburtstag hinter Dir hast ?

Gott erhalte Dich und mich in der Klarheit und Reinheit, die Du mir mitgetheilet.

Weder Du noch sie, die H, sollst od. soll mehr v über d. S. etwas von mir lesen.

Ich kann und will sie noch nicht von mir stoßen, noch nicht verdammen; aber mein Seyn soll – wenn es seyn kann – ihr und mir nützlich seyn – so lange sie mich noch mag.

Natürlich betrübten mich Deine Worte auch, aber es ist schon recht so und ich danke Dir für jedes recht herzlich.

Noch 14 Tage wird Jette und Silli bei uns bleiben ; nach einer endlichen Ewigkeit würde ich wahrscheinlich auch noch so lange bei ihr und Dir seyn mögen. Bleib mir nicht länger, als ich Dir!

Emanuel

Zitierhinweis

Von Emanuel an Paul Emile Thieriot. Bayreuth, 31. August 1805, Sonnabend. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB1610


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