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Bayreuth, 27 Nov. 1805.

Thieriot! Schon mit jedem Brief-Posttag hätt' ich geschrieben und wollt' ich Dir schreiben; aber immer dacht ich "zu was, mit der fahrenden kommt er ja selbst gefahren?"

Und so dachten mehrere.

Nur erst gestern dachte die Caroline, Du könntest und würdest wieder nach Offenbach zurück gegangen seyn – was ich nicht glaube.

Deine Worte v. 13t und Deine v. 16ten mit denen die herrlichen Deines Bruders hab' ich lange; aber warum sind es denn schon so lange Deine letzten?

Natürlich glaub' ich schriftlich in Wind zu fragen, denn ich sehe meiner wiederholten Frage und Deiner mündlichen Antwort entgegen; dennoch muß heute gefragt und geantwortet werden Du und Dir.

Meinen "nächsten Mittwoch" hast Du |2 gewiß längstens erhalten und mit so vieler kindlicher Liebe aufgenommen haben, als in väterlicher sein Daseyn er ward.

Dein Herz hab' ich also hier eher gekannt, als Du dort.

Wahrscheinlich bleibt das Deinige noch nicht auf dem Fleck, wo Du es hinbrachtest, ich meine auf dem rechten.

Wenn Dein Herz einmal ins 40ste Jahr gehet, wie das, das Du in mir hast, dann wirst Du meines und Deines und auch meine Worte besser und eher verstehen.

Doch hoff' ich und wünsch' ich, daß Du lange vorher schon keine Briefe wie ich, sondern wie Dein glücklicher Bruder schreiben wirst und kannst.

Auf jeden Fall behalt' ich Deines Bruders Briefe noch bei mir.

Richter meint mit dem Emil ließ es sich nicht so spaßen, wie mit dem Thieriot, er wolle sich also einen Namen selbst machen.

Heute Morgens legt' ich dies Blatt weg, weil ich glaubte Dir es hier noch einhändigen |3 zu können; ich muß es nun doch der Post übergeben.

Mein Bruder ging eben in das Konzert.

Die Konzerte sind bei uns heur so schlecht, daß kein Mensch gerne dazu gehet.

Jette grüßt Dich. Braun ist nun wieder zu Hause.

Es ist eigen, ich möchte Dich manches fragen und kann nicht, weil ich mirs durchaus nicht denken kann, daß Du nicht eher zu mir kommst, als dieser Brief zu Dir.

Meinen Vorsatz, nicht mehr so oft zu meinen Freunden zu gehen, setz' ich bis dato nur halb durch: eine Woche bei nahe halt' ich es mit von keinem aus.

So wird dem Menschen alles zur Gewohnheit, das Gute und das Nichtgute, der Genuß und das Entbehren und daher sollte sich der Mensch die Gewohnheiten abgewöhnen oder, was leichter wäre, nicht angewöhnen.

Aber was sollte der Mensch und was sollte er nicht alles?

Ich sollte auch viel, viel, viel besser seyn, als ich leider! nicht bin und vielleicht nie werde, mein Thieriot!

Emanuel

Zitierhinweis

Von Emanuel an Paul Emile Thieriot. Bayreuth, 27. November 1805, Mittwoch. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB1636


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Textgrundlage

H: BJK, Berlin V, 138
1 Dbl. 8°, 3 S.

Überlieferung

Hk: ehemals Slg. Apelt,
1 Dbl. 8°, 2 S. (auf S. 2 und 3 des Briefes von Thieriot an Emanuel vom 16. November 1805).

D: Abend-Zeitung, Nr. 17, 20. Januar 1843, Sp. 134 (unvollständig).