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Bayreuth, 25t Dec. 1805.

Mein geliebter Thieriot! Heute, am heiligen Christtag will ich Dir für Deine herrlichen Christgeschenke danken.

Hätt' ich Dich nicht selbst in dieser Woche wieder erwartet: so könntest Du heute einige Worte von mir lesen.

Von keinem Menschen hab' ich einen Heiligenchrist erwartet, bei mehreren hab' ich mir ihn verbeten; von Dir hab' ich mir Einen erbeten und Zwei bekommen.

Deine Manteufelische Copie schon allein würde meine Feyertage gut genug feyerlich gemacht haben; aber nun gar Deine Briefe und Beilagen!

Richters ließen gestern ihren Kindern beschehren.

Ottos und ich waren dazu eingeladen.

Ehe ich hinaus zu ihnen ging laß ich Alles von Dir gestern empfangne noch einmal.

Ich kam recht gut hinaus, war den Abend gut und recht vergnügt und |2 so ging ich auch zu Bette.

Wir haben uns mit Kleinigkeiten große Freuden gemacht – wie es Freunden ziemt und wie ich es immer mehr liebe.

Könnt' ich doch meine regensburger Bonbons (Mandeltorte ißest Du nicht), meine gütelische Brodtorte, meine Carolinischen Stollen, mein Muttergebackenes, mein Schweizerisches Ulmerbrod mit Dir theilen, Du Gernetheiler.

Eine Wohnung hab' ich noch nicht für Dich, weil es jetzt schwer ist eine zu bekommen, der vielen Soldaten wegen, die wir hier haben.

Doch so bald Du mir die gewisse Versicherung Deines Kommens giebst, dann soll schon eine Wohnung aufgetrieben werden.

[...] / willst Du denn an Göthe schreiben?

Ich habe mir längst eine Dir geschriebene Stelle vorgeworfen; Du bist aber so gut und sagst mir nichts darauf und nichts darüber.

In meinem – ich glaube – vorletztem Brief sagt' ich, nicht ganz in der Dir schuldigen Bescheidenheit, daß Du meine Jahre bekommen müßtest, um mich ganz zu verstehen – ich mit meinem alten Schatz von Jahren sagte |3 das, ich der Dich nie werde verstehen lernen, ich, der ich Dein Verstehen nie begreifen, nie erreichen werde, nie mehr kann!

Wenn Du zu mir kommest, dann will ich Dir es sagen, was ich mir damals dachte – denn ich dachte doch und zwar mich und Dich –; schriftlich will ich nur den Fehler nur in so weit gut machen – daß ich offen Dir ihn anzeige.

Du kannst mir nicht kurz und wenig genug über und von Eva schweigen.

Es wäre besser gewesen, Du hättest mir ihre Worte eher, gleich geschickt – ja das Schicken selbst entsündiget Dich jetzt nur halb bei mir und höchstens nur ⅔ bei ihr, weil es mir zu lange leid gethan – von dem Mädchen verkannt zu werden und – weil ich – was noch leidender war – befürchten mußte, das Mädchen glaube sichin / von meiner Seele verkannt.

So ist alles gut – nur ich nicht ganz so, wie das weißgekleidete Mädchen es meint.

Ich schreibe nicht an sie, schon ihres Schweigens wegen nicht; aber Dich bitt' ich, daß Du ihr in Deinem Brief so viel Gutes von mir über sie sagest, als Dein Herz will.

|4 Freund! Jedem Freunde kann man nicht jede Wahrheit sagen; aber es giebt Freunde – ich kenne wenigstens einige – denen man Alles sagen dürfte.

Auch läßt man sich nicht nicht so gerne das von Freund A sagen, was man sich gerne von Freund B sagen läßt.

So hat jeder Mensch vielleicht oft ohne es zu wissen, eine verschiedene Art des Ausdrucks im Wahrheitsagen mit bei jedem Freunde.

Deine Art des Ausdrucks wird seit einiger Zeit immer dunkeler.

Wenn Du so fortfährest – muß ich mir beim Lesen Deiner Briefe beim lichten Tage Licht anzünden.

Du bist in Allem viel klarer als Du es scheinest – weist und oft scheinen und wissen magst.

Ich habe Dir Alles an mein Herz gedrückt und nun drück' ich Dich noch einmal recht, recht an dasselbe und muß Dirs doch sagen, daß ich Dich gestern nach dem [...] w iederholten Lesen Deines Briefes und Deiner Gedichte, so göttlich fand, daß ich Dich meinen Sohn nicht nennen konnte; aber ich bin Dein

Emanuel

Zitierhinweis

Von Emanuel an Paul Emile Thieriot. Bayreuth, 25. Dezember 1805, Mittwoch. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB1641


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Textgrundlage

H: BJK, Berlin V, 138
1 Dbl. 8°, 4 S.

Überlieferung

Hk: ehemals Slg. Apelt,
1 Dbl. 8°, 4 S.

D: Abend-Zeitung, Nr. 28, 2. Februar 1843, Sp. 221–224 (unvollständig, ungenau).


Korrespondenz

B: Von Paul Emile Thieriot an Emanuel. Aschaffenburg, 1. bis 13. Dezember 1805
B: Von Paul Emile Thieriot an Emanuel. Aschaffenburg, 20. Dezember 1805
A: Von Paul Emile Thieriot an Emanuel. Aschaffenburg, 4. Januar 1806