Von Emanuel an Paul Emile Thieriot. Döhlau, 5. bis 8. Juni 1806, Donnerstag bis Sonntag
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Mein Thieriot! Ich komme von meinem Schaf-Leiter und Ziegelteuch – Orte die Dir sogar unbekannt seyn werden – zu Dir, um Dir allerhand und manches zu sagen.
Deine 2 Briefe v. 16ten u v. 20ten Mai hab' ich zu Hause bekommen.
Seit gestern bin ich hier.
Den schönen Mai hab' ich schön verlebt.
Mein Geschäft nimmt einen etwas langsamen Gang an, darüber möcht' ich bisweilen davon laufen.
Ohne einen eigentlichen Grund angeben zu können, ging ich dieses mal nicht gerne hier her.
Ich durfte zu Hause nichts sagen, weil sie mich entweder gar nicht herein oder nicht allein gelassen hätten und dennoch beunruhiget gewesen wären.
Aber ich bin wohl und freue mich daß Du es auch bist.
|2Ich hätte heute viel Lust etwas recht Gutes zu thun, wärest Du doch bei mir, um mir Vorschläge zu machen und dann bei der Ausführung beizustehen.
Das hiesige Menschenvölklein erschweret einem das Gutseyn und das Gutesthun – denn es bestehet aus nichts als Verwahrlosten.
Bettler findet man nicht unter ihnen; die die nichts haben nehmen sichs – wo sie's suchen und finden.
Doch hoff' ich hier nützlich und ohne Pestalozzi zu seyn, doch die Menschen einst besser wieder zu verlassen, als ich sie bekam, obgleich weit nicht gut.
Wenn ich Dein und mein Leben vergleiche, möcht' ich ein 3tes, ein vereinigtes daraus machen; ich dächte nicht, |3 daß Dein poetisches oder mein prosaisches etwas dabei zu kurz käme, das glaub' ich nicht, weil wir doch in jedem Leben lieben und also ordentlich leben würden.
Gestern war Caroline Richters und vorvorvorgestern war auch ein Geburtstag ; an beiden war ich still, nachdenkend, vergnügt und es fehlte mir nichts, als ein Wesen das mich laut gemacht hätte.
Ich denke es ist doch besser für unser Herz ganz allein zu seyn als um Menschen die nicht für dasselbe sind, wenn es sich nach Herzen sehnet.
Das meinige ist erquickt über Deinen Glauben an dasselbe.
Richter will mich in dieser Woche hier überraschen.
|4 Sags der Eva, im Herbst will ich Euch auch überraschen und grüße mir sie vor und nachher.
Versüßt Euch das Leben, Ihr lieben Menschen, und meines dadurch mit.
Es verlohnt wahrlich sich der Lebens-Mühe nicht – wenn man nicht gut d. h. nicht glücklich ist ermüdet.
Jette ist wohl und wol noch in Carlsruh. Heute noch erwart' ich von diesem reinen Menschenherz einige Worte .
In der nächsten Woche geh' ich wieder auf einige nach Hause und dann wieder hierher.
Behalte mich nur immer lieb, mein Thieriot, ich bin ja Dein
Emanuel
Zitierhinweis
Von Emanuel an Paul Emile Thieriot. Döhlau, 5. bis 8. Juni 1806, Donnerstag bis Sonntag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB1667