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Heidelberg d. Jul.
1817.

Einen sonderbarern Briefbogen hast Du wohl noch nie bekommen , bester Abraham; aber Du mußtest ja sehn, was Dein Bruder für Zeugs macht, wenn ein so lieber Mann, wie Jean Paul, hier ist. – Da ich eine Sache nicht zweimal schreiben kann, so verweise ich Dich, was Jean Paul betrift, auf einen Mordbrief an Truchseß , den er Dir nächstens zuschicken wird. Ich denke stündlich an Dich, und wünsche Dich immer von Neuem her, um meine Freude zu theilen über den herlichen Mann. Und da muß ich vor allem einen recht herzlichen Gruß an Dich überbringen, den er mir in einem der für mich seligsten Augenblicken gab, als er Bruderschaft mit mir schloß. – Vierzehn Tage ist er bereits hier. Nächsten Sonntag gehn wir nach Weinheim zu Grimm u der Frau Räthin Falk, die die Zeit gar nicht abwarten können, bis Jean Paul da ist, und es sich gern gefallen lassen, daß wir einen Anhang von zwei Wagen mitbringen. Denn höre, wir sind alle verliebt in den Mann, u. natürlich auch eifersüchtig auf einander. Den Brief an Truchseß (NB) überschickst Du der Frau Boje , mit dem beding, daß sie ihn mit der nächsten Post zurückschicke an Dich. Dann sendest Du ihn wieder an Truchseß, aber ohne zu sagen, daß er in Jena gewesen ist / versäume dies ja nicht. – Dein Maß um Maß hab' ich erhalten. Grüß Göttling. Seine Recension soll sogleich gedruckt werden. Bald sende ich ihm Aufträge – Nur heute kanns nicht geschehn. Jean Paul verschlingt alles. – mit den Accenten hast Du Recht. Der Acutus soll auf Buchstaben stehn, in Worten die einen Ton fodern. – Ich bin schon im vierten Acte von Heinrich IV, und ohne Jean Paul wär' ich mit dem ersten Stück schon fertig. Mit Schlegel treff' ich selten zusammen – Jean Paul hat an diß Arbeit gewaltige Freude, eins meiner Stücke hat er vom Anfang an bis zu Ende mit dem |2 Original verglichen, u. mir manche schäzenswerthe Bemerkung gesagt. – So eben kommt ein Brief der Mutter von Hans [...]. Hier ist er. – Ach wie gern säh' ich die Kinder , und nun auch wohl das Jüngste. Ich wollt', es würd' ein Knabe, und Hieße Gustav wie unsres Vaters Bruder . Ist denn Ernst Schiller wirklich Doktor? Ich kann das kaum glauben von der Juristenfakultät in Jena. Er sollte so gescheut sein, und den Adel ablegen, und als ehrlicher Schreiber etc. sein täglich Brot essen. Grüße die Schiller, und die Frau von Lengefeldt . Der Frau von Gleichen schreibe ich nächstens, u lasse Briefe ihres Mannes an sie gelangen . – Heute soll ich schon wieder einen Doctor machen, und übermorgen einen Dotto . Das schmeckt schlecht nach Jean Paul, dessen Diplom ich mit wahrem Entzücken schrieb. Ach! könntest Du doch den Herzensmann nur Eine Stunde sehn! Er gibt sich mir gern hin – und mit Recht! – wo er aber sich hingibt, thut ers mit ganzer Seele. Preise mich glücklich, daß ich einer der wenigen Erkornen bin. Ich bin wahrlich nicht eitel darob, aber selig machts mich. Martens schimpft auf Jean Paul, wie mir berichtet wurde. Auch das ist Lob! Schimpft auch der Fuchs auf hohe Trauben. Wie wüst mag es in einer Seele aussehn, wo man auf solch einen Mann schimpfen u scheel blicken kann. Er dauert mich deshalb. Ich hatte Martens auch zum Punschabend geladen, war aber bange, er möchte mich blamiren, doch schob ich immer andre zwischen ihn u J. Paul, so oft erster ein witziges Gespräch mit lezterm anknüpfen wollte.

DeinHeinrich.

Zitierhinweis

Von Heinrich Voß an Abraham Voß. Heidelberg, um den 20. Juli 1817. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB1684


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Textgrundlage

H: BSB, Vossiana, 46
1 Dbl. 4° (gefaltetes Doktordiplom für Jean Paul), 2 S. ( S. 1 und 4), auf S. 2 und 3 das gedruckte Diplom.


Korrespondenz

Zur Datierung: abgefasst ca. eine Woche vor dem Weinheimer Ausflug am 27. Juli und ca. zwei Wochen nach Jean Pauls Ankunft in Heidelberg am 6. Juli 1817.