Darstellung und Funktionen des "Kritischen und kommentierten Textes" sind für Medium- und Large-Screen-Endgeräte optimiert. Auf Small-Screen-Devices (z.B. Smartphones) empfehlen wir auf den "Lesetext" umzuschalten.



|1

Mein Emanuel – Du wirst dieses Blatt sehen, dies will ich Dir gleich versprechen u. verschreiben, damit Du nicht weiter darum kommst. Seit ein paar Tagen habe ich fast in einem fort an Dich geschrieben u. ist nichts zu Papier gekommen. Ich las in diesen Tagen etwas ganz Vortreffliches, was mich die Eifersucht, weil es nicht von mir ist, Dir noch nicht mittheilen läßt.

Was ich Dir, was der Eva u. allen Freunden dienen könne, möcht' ich gerne wißen – möcht' ich gerne, da ich es ja weiß, in Werke sezend wißen – wißen, wie bald ich dem Mönschsorden Mönchsorden, in den ich mich gesteckt, entspringen oder ihn mit mir aufheben werde. Ich war ein Keim, bin es vielleicht noch, und wenn etwas Schlechtes aus mir erwüchse, wollt' ich lieber erstiken.

Befürchte nur nichts u. mache Dir keine Unruhe über mich. Glaube auch nicht, daß ich mich ruhiger der Ruhe überlaße („kann mich nun ruhig der Ruhe überlaßen“ schrieb mir einmal Richter) als ich kann. Wüßte Jeder, daß er durch 3000 Jahr Festungs-Arbeit sein Leben reinigte, er finge lieber heut an als Morgen. Aber vielleicht die Hälfte davon abhandeln durch Fegungs anfang in diesem Leben, das will fast keiner. Und die Wenigsten sind auch an der Quelle, daß sie es könnten. Laße sich nie nie nie verdrießen, durch andere nach der Quelle zu weisen, wer sie weiß.

Ich weiß nicht, was ich unlieber thue, lieber Em. als daß ich auf Deine lichte Welle die ß s welke Blatt werfe – ich erkenne so etwas nicht an, ich stoß es aus. Aber es ist geschrieben u. Dir verschrieben.

Das Vortreffliche ist Gleims Briefwechsel mit Heinse u. Müller 1806. Hast Du, hat Richter ihn noch nicht ?

Aus durchdrungender durchpreßter Brust u wieder leichter u. klarer Brust, was kann ich Dir schreiben Emanuel – denn schreiben muß ich Dir heute. – blau blau blau ist der Himmel. Mehr hab' ich Dich noch nie geliebt als jetzt – aber ich wag' es noch nicht, das Liebe zu nennen – Deine Geduld, Dein Schonen – bleib mir nur noch, harre noch ein wenig aus, damit ich mir nicht sagen muß: Du hast ihm das Leben nicht zur Freude gemacht, u. das Andre nicht einmal unterlaßen. – Zwing' ich mich schon wieder? (daß ich doch immer einen Brief möchte zu einem Ganzen haben, da er doch ein ein Stück bleiben soll u. muß) leicht laß mich, leichter Himmel! –

pp –

Zitierhinweis

Von Paul Emile Thieriot an Emanuel Osmund. Offenbach, 11. bis 13. Oktober 1806, Sonnabend bis Montag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB1736


Informationen zum Korpus | Erfassungsrichtlinien

XML/TEI-Dokument | XML-Schema

Textgrundlage

h: BJK, Berlin V, 138
Briefkopierbuch der Briefe Thieriots an Emanuel, H. 2, S. [19]-[20].


Korrespondenz

A: Von Emanuel an Paul Emile Thieriot. Bayreuth, 15. bis 17. Oktober 1806, Mittwoch bis Freitag
A: Von Emanuel an Paul Emile Thieriot. Bayreuth, 5. November 1806, Mittwoch

Der Brief ging als Beilage eines Briefes von Emanuel an Jean Paul, wie Jean Pauls Notiz an Emanuel aus dem Oktober 1806 und sein wiederum über Emanuel gesandtes Billett vom 17. Oktober an Thieriot schließen lassen. Das Briefkopierbuch gibt neben der Datumsangabe den Beantwortungsvermerk Emanuels wieder: (A. 1. Nov.). Ein Brief vom 1. November 1806 ist nicht erhalten, der Antwortbrief stammt vom 5. November 1806.